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Ich sehe nicht, was du siehst

■ Wie meistern sehbehinderte Menschen ihren Alltag – eine Ausstellung

7.30 Uhr. Der Wecker klingelt. Aufstehen, Zähne putzen, duschen, anziehen, Kaffee kochen. Ein letzter Blick in den Spiegel und dann los. Alles Dinge, die jeder morgens noch im halbschläfrigen Dämmerzustand erledigt, ohne darüber nachzudenken. Jeder, der sehen kann. Das sind aber längst nicht alle Menschen. Die anderen haben Probleme, auf die Sehende nie kämen.

„Wer kennt hier in Bremen einen sehbehindertengerechten Geldautomaten“, fragte Karl-Heinz Weiser, der Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbandes in Bremen, gestern in der Bürgerschaft. „Es gibt Entwicklungen in der Technik, wie zum Beispiel Sensortasten, die es uns Blinden unmöglich machen, ein Radio zu bedienen.“ Mit dieser Problematik beschäftigt sich die Fotoausstellung „Wer nicht sieht, wird nicht geseh'n“, die am Montagabend eröffnet wurde. 70 Fotos mit kurzen Texten wollen aufklären, informieren, zum Nachdenken anregen.

Wie finden sich Blinde oder sehbehinderte Menschen in Supermärkten zurecht? Wie bezahlen sie mit Bargeld? Wie wenden sie ein Schnitzel, ohne sich zu verbrennen? Alles Kleinigkeiten, die für Blinde zum Problem werden. Die Fotoausstellung des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Künste Berlin will Antworten geben. Sie will zeigen, dass sich auch Blinde mit Hilfe des richtigen Mobilitätstrainings und dem weißen Langstock selbständig auf der Straße bewegen können. Dass es für die meisten Sehbehinderten kein Problem ist, einen Beruf auszuüben. Und sie will Ratschläge geben, wie Nichtblinde mit Blinden umgehen sollten.

Die Fotoausstellung ist schon durch mehrere Städte gereist. Ihr Motto solle – und das ist die große Angst des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Bremen angesichts der Streichung des Blindengeldes, das in Bremen „Landespflegegeld“ heißt – jedoch nicht zum Motto der Bremer Sozialpolitik werden. spo

Bis zum 20. April ist die Ausstellung „Wer nicht sieht, wird nicht geseh'n“, werktags von 10 bis 17 Uhr in der Bürgerschaft zu sehen.

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