: Scharfe Suppe als Manifest
Bei der taz-Suppenspeisung mit Vincent Klink, Wiglaf Droste und dem Spardosen-Terzett dampfte der Kessel und glühten die Löffel
von JENNI ZYLKA
Es ist schon ein Elend mit der taz. Kaum wissen alle, dass taz sein muss, tut die kleine Zeitung auch schon wieder so, als ob es kein Morgen gäbe: Superstars und Suppenköche werden engagiert, der Berliner Veranstaltungsort „Bar jeder Vernunft“ wird reserviert und geschmückt, die RedakteurInnen ziehen ihre tazroten Galauniformen an und feiern, bis sich die Balken biegen.
Dabei muss die taz jetzt, nach dem großen „Suppenfest“, natürlich erst recht sein. Wer sollte schließlich all den anderen, die nicht dabei sein konnten oder wollten, davon erzählen? Genau.
Wir Partymäuse und Suppenhengste, wir Ariane Sommers und Rolf Edens. Wir haben es uns gut gehen lassen und unserem Namen als jüngste Tageszeitung alle Ehre gemacht vorgestern, im Rondell des Spiegelzeltes, inmitten wie zum Dosenwerfen aufgebauter Suppendosen, Alkoholika und geladener, tazfreundlicher Gäste. Was waren wir jung! Verdammt! Hans-Olaf Henkel war sozusagen fast der Älteste, zusammen mit Christian Ströbele, der spät kam und früh ging. Und eine Menge verpasste: Ruhig, fast besinnlich ging es los, mit einer Rede von Chefredakteurin Bascha Mika, in der sie nochmal auf die wahre Bedeutung des Wortes Suppe hinwies. „Saufen, saugen, schlürfen“ hieße das, also „Macht was draus!“.
Zu Befehl, das haben wir. Allerdings erst nachdem der Meisterkoch Vincent Klink, der Mann, der die tagessuppe kreiert, abgeschmeckt und in Dosen gefüllt hat, um der taz zu helfen, seine Eingangsgeschichte erzählt hatte. Eine schöne Geschichte über den kleinen Vincent, der irgendwo im Stuttgarter Raum aufwachsen musste, beäugt von einem Drei-Zentner-Tierarzt als Vater, und mit einem sehr persönlichen Jahreshöhepunkt: dem Schweineschlachten. So poetisch wurde noch nie über eine tote Sau gesprochen, so hübsche Vokabeln haben wir in diesem Zusammenhang noch nie gelernt: Was ein „Pfarrerstückchen“ ist (das beste Stück vom Tier, Klink vermutet eine direkte Abfolge vom „Druidenstückchen“), und warum man Stillschweigen bewahren muss, wenn das Schwein in seinen eigenen Darm gefüllt und damit zur köstlichen Wurst wird: Ist doch klar, dass eine „zerredete Wurst“ nicht schmeckt.
Klinks Vater schien ohnehin ein gutes Vorbild, geradezu ein Role-Model gewesen zu sein an diesem Abend: Hatte Klink nicht gerade noch von dessen eiserner Disziplin, nämlich „alle 15 Minuten ein Bier“, gesprochen? Das hatten wir alle gehört. Und schrien darum nach den eilfertigen Kellnerinnen und Kellnern, die uns, sofern wir ein speziell angefertigtes Namensschildchen trugen, sogar umsonst bedienen mussten (was zu lustigen Namensverwechselungen führte: Eine Menge Frauen hießen an diesem Abend Eberhard Seidel oder Dirk Knipphals). Und seine Suppe durften wir nach Klinks Ausführungen auch endlich löffeln. Die Hand mit dem Chili sei ihm ausgerutscht, hatte der Meister vorher noch verschämt verkündet. Das stimmte, oh, wie das stimmte! Diese Suppe, so Klink, sollte schließlich ein Manifest sein! Wir spien munter Feuer, steckten uns gegenseitig wortlos Taschentücher zu, mit denen wir unsere schweißigen Stirnen abtupften, und dachten darüber nach, dass Klink vorher vom Blähpotential der Bohnen gesprochen hatte. Aber dazu kommen wir später. Oder auch nicht.
Dann, die Gäste, FörderInnen und FreundInnen der taz waren in bester Laune, Friedrich Küppersbusch lächelte sogar schon fast, kam Wiglaf Droste, selber Suppenfreund, und sang mit dem Spardosenterzett von der kleinen Löterin, versuchte, der deutschen Version von Hotel California ihre Würde zurückzugeben und schaffte es sogar. Er reiste in 80 Phrasen um die Welt, und bescherte uns glücklich-angeschickerten taz-Fans einen weiteren Höhepunkt an diesem Abend (bestimmt nicht den letzten): Vincent Klink durfte und sollte zu den Droste-Songs nicht nur schwungvoll Jazziges auf seiner Querflöte dudeln, sondern erwies sich auch als hervorragender Bauchtrommler. Wie er sich so selbstvergessen im Takt auf die (möglicherweise extra zu diesem Zweck umgehängte) Plauze schlug, werden wir so schnell nicht vergessen. Wollen wir auch gar nicht.
Am Schluss des Abends wurde nochmal kräftig sozialisiert, man redete mit der und über die taz, mit den und über die Stars des Abends, tüftelte neue Strategien aus, die taz zu retten, verwarf sie aber zum Glück alsbald, verlieh Namensschildchen, rannte von Nische zu Nische und von Loge zu Loge, um auch allen anwesenden FreimaurerInnen mitzuteilen, was an diesem Abend ohnehin schon alle wußten: taz muss sein. Denn ohne taz kein Spaß.
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