Keine Daddeleien, nirgendwo

■ Guru's Jazzmatazz im vollgepferchten Modernes hat nichts mehr mit Jazz & Experiment zu tun, aber viel mit 'nem netten Abend, nich?

Wie Tom Holert in Bezug auf das ungewöhnliche Album des Spoken-Word-Artists Saul Williams argumentiert, verläuft zwischen Rock 'n' Roll, Dancehall und Hip-Hop die «semantische Bruderschaft des Rockin'“. Was rockt, gilt als gelungen und damit wirksam. In diesem Sinne rockte, zumindest bisweilen, auch das Konzert des Rappers Guru und seines Projekts «Jazzmatazz‚. Auch wenn wirklich keine Rockmusik zu hören war.

«Streetsoul‚ heißt die neue Platte und um diesen Titel wird der Name des Sideprojekts von Guru erweitert. Etatmäßig ist er die eine Hälfte von «Gangstarr‚ und der Street-Aspekt ist wohl der Tatsache geschuldet, dass der aktuelle «Jazz-matazz‚-Sound, wie im Modernes zu hören war, HipHop-rooted ist, auch wenn Guru hier mit der Funkband «House of Trade‚ auftritt.

Dazu kommt der Berliner (!) DJ b-side und die Sängerin Carline Anderson. Erwartbar nicht dabei waren die zahlreichen GastmusikerInnen, die das neue Album versammelt. Das sind nämlich fast alle Durchstarter der letzten zwei Jahre, namentlich Kelis, Erykah Badu oder Angie Stone.

Zurückgetreten ist die Jazzdimension des Fusion von «Jazzmatazz‚, was sich unter anderem darin ausdrückt, dass kein Bläser auftritt. Gurus Gesang pendelt zwischen Souligem und Rap, unterfüttert von leider mal wieder etwas breiig gemixter, dennoch verlässlich groovender Rhythmusmaschine. Immerhin erlauben Drummer und Bassist ihrem Kollegen G. Flower, mal harte Funkriffs dazwischen zu knallen, dann wieder eine smoothe Melodielinie einzuschmuggeln. Alles rumpelt, von entfernt klingt das ultimative Funk- und Soul-Songbook an. «Gangstarr‚-Partner DJ Premier gilt mit Recht als einer der ökonomischsten DJs des Spitzen-HipHop.

Entsprechend scheint sich Guru auch seine Begleitband für die «Streetsoul‚-Tour ausgewählt zu haben. Zuverlässig bescheren sie uns einen angenehm swingenden Abend, ohne allerdings soundmäßig besonders challenging zu wirken. Keine Irritationen klanglicher Natur, kaum Überraschungen. «Soul kommt aus dem Innersten des Menschen. Es ist eine beständige Kraft. Und Herz und Seele gehören zusammen‚, gab Guru vor kurzem sein Soul-Verständnis zu Protokoll. Und auch wenn er, ganz im Gegensatz zu Anderson, kein Soulmusiker im engeren Sinne ist, legt das Bühnengeschehen doch Verbindungslinien offen, die von den Godfathers und -mothers direkt zu «Gangstarr‚ führen, als inspirierendes Moment und Klangreservoir.

Nur mit Jazz hat «Jazzmatazz‚ nicht mehr wirklich zu tun, was aber, trotz einiger Abstriche, dem Hörvergnügen keinen wirklichen Abbruch tut. Schließlich konnte man sich gerade bei der ersten Platte des Projekt des Gedankens kaum erwehren, es sei der halbgare Versuch, Leuten Musik zu verkaufen, die sich weder für Jazz noch für Hip-Hop wirklich erwärmen können. So gesehen ist «Streetsoul‚ homogener, klanglich aber auch geschlossener (= überzeugender), vor allem deshalb, weil die Musiker recht schnörkellos zu Werke gehen und auf unnötige Daddelei verzichten. Das tut dem Gesamtsound wohl, so dass eine angenehme Stunde auf dem Nachhauseweg nachhallt.

Bis man dann doch lieber eine «Gangstarr‚-Platte auflegt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Tim Schomacker