: Streit um Castoren
Politiker befürchten Radikalisierung der Proteste und fordern neue Entsorgungskonzepte für Atommüll
HANNOVER/HAMBURG dpa ■ Die heftigen Proteste gegen die jüngste Castor-Einlagerung in Gorleben haben eine neue Diskussion um die Transporte ausgelöst. Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) und Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Buß (SPD) bezeichneten die Züge in das Zwischenlager als Gefahr für die Demokratie. „Noch einen solchen Castor hält die Republik nicht aus“, sagte Buß am Wochenende. Die Atomtransporte polarisierten Deutschland und erzeugten einen Konflikt, der auf dem Rücken der Polizisten ausgetragen werde. „Das waren letzte Woche 6 Container, 460 kommen noch.“
Gabriel sagte dem Nachrichtenmagazin Spiegel, er befürchte eine „Radikalisierung des Protests und bislang unbekannte Märtyrerakte“, wenn die weiteren Castoren durchgeboxt würden. Gorleben als Endlager halte er für „politisch nicht durchsetzbar“. Er verlangte deshalb „eine Verteilung der Entsorgungslasten auf alle Bundesländer“. Der Energiekonsens solle durch einen „Entsorgungskonsens“ ergänzt, der Atommüll künftig in „dezentralen Zwischenlagern“ untergebracht werden.
Die Landesvorsitzende der niedersächsischen Grünen, Heidi Tischmann, forderte derweil von der Bundestagsfraktion eine „Nachbesserung“ des Atomkonsenses. „Wir fordern den schnelleren Stopp der Wiederaufbereitung, einen früheren Ausstieg und erste Abschaltungen von Atomkraftwerken noch in dieser Legislaturperiode.“ Grünen-Vorsitzende Claudia Roth machte dagegen deutlich, dass ihre Partei „den Atomkonsens nicht in Frage“ stelle. Nun müssten auch die Betreiber der Atomkraftwerke ihren Teil leisten. „Dazu gehört die rasche Unterschrift unter die Konsensverträge.“
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) will unterdessen der Umweltschutzorganisation Robin Wood die Gemeinnützigkeit entziehen. Einen entsprechenden Antrag will er auf der nächsten Innenministerkonferez stellen. Die Atomkraftgegner setzten „undemokratische Mittel unter Ausnutzung demokratischer Rechte ein“, so Schönbohm. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg wies gestern alle Versuche, die Demonstranten als kriminell hinzustellen, zurück: Weder der allgemeine Zugverkehr noch der Castorzug seien gefährdet gewesen, die Betroffenen hätten ihre eigenen Körper eingesetzt, ohne Schienen zu beschädigen. JU
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen