: Musikalische und kosmische Zeitsprünge
■ „Captain Future“ spielte im Studio auf den Höfen Coverversionen. Dazwischen wurden im 80er-Jahre-Konzeptalbum&Rockoperstil wilde Geschichten von Jimmi Fischer erzählt
Es gibt nichts, wo Uncle Mo alias Peter Apel nicht mitspielt. Mit drum'n'bass-Musikern nimmt es der Weltmusik-Jazz-Rock-Funk-Soul-Metal-Indie-Gitarrist (und Keyboarder) ebenso auf wie mit einer klassischen indischen Sängerin oder einem alpinen Hackbrettspieler. Und gäbe es obertonsingende Nilpferde, würde er mit ihnen einen byzantinischen Kirchenchor gründen.
In einem seiner unzählbaren Projekte, Sweet Jane, welches Lou Reed covert, spielt er zusammen mit dem 29jährigen Gitarristen Timmi Fischer. Den hat er vor fünf Jahren im Jazzstudiengang der Hochschule für Künste kennen gelernt. Als sich der daran machte, seine drei Lieblings-TV-Zeichentrickserien aus vorpubertären Zeiten zu einer Space-Rock-Oper zusammenzukneten, hatte er scheinbar gleich Lust, die astralen Sounds auf dem Keyboard zu basteln. So kommt es, dass nun unter dem planetengroßen Dach von „Who is Uncle Mo“ das kosmische Abenteuer „Captain Future“ im „Studio auf den Höfen“ zu hören war – und zu sehen. Wobei die Raumanzüge – weiße und rote Ganzkörperkondome mit liebevoll angebrachten Zeichnungen und Klebestreifen – besonders sexy sind.
Peter Apel, so frotzelt Fischer, „musste allerdings erst langsam heranführt werden“ an die ihm gänzlich fremden Spezies in „Biene Maja“, „Wicky“ mit dem kleinen Wikingerbub, der die großen Piraten doch immer austrickst und „Captain Future“, der gezeichneten Variante von Raumschiff Enterprise mit Otto, dem androiden Kaugummi, Simon Wright, dem lebenden Gehirn ecetera. Diese drei doch recht unterschiedlichen Fernseh-Kosmen der 80er Jahre lässt Fischer fusionieren, was für ihn nicht weiter schwierig war. Denn als Ex-Perry-Rhodan-Verschlinger ist er Fachmann im Wandern durch unterschiedliche Realitätsebenen und im Aufspüren von Zeittunneln. Manchmal genügt schon das Drücken eines roten Knopfes zum falschen Moment für eine Dematerialisation des Helden. Zum Glück stellt sich heraus, dass es sich nur um die vergleichsweise harmlose Abwesenheit wegen Toilettenbesuchs handelt.
Als eine Desinfizierung des Raumschiffs nötig wird zückt die Crew ganz einfach einen türkis-blau-gestreiften Staubwedel und einen verkratzten Ministaubsauger. Diese Kunst des Stilbruchs liebt Fischer auch bei Helge Schneider. Als Hommage an die noch immer verehrte Muppetshow will Fischer die Unwahrscheinlichkeitsschleifen im Handlungsstrang verstanden wissen.
Entknotet man sie, dann zeigt sich ein simpler roter Faden. Captain Future, der zehn Semester Astronomie studiert hat, errettet die Welt vor Dark Vader und seinem heimtückischen Plan, den Rock'n'Roll niedermetzeln zu lassen vom bösen Gevatter Jazz. Mit dem finalen Kampf der Zauberschwerter erfüllt sich Fischer augenzwinkernd einen Traum aus Kindertagen. Um die abgründige Tiefe dieses Heldenepos bis in ihre letzten Windungen geistig durchdringen zu können, ist es unabdingbar, ein bisschen über Timmi Fischer zu wissen.
Der spielt Rockgitarre seit er 14 ist und zwar über zehn Jahre lang in der Band „Sailing ears“, die öfters das Meisenfrei rockten. Danach wechselten die Projekte in schnellem Rhythmus – möglicherweise infiziert vom experimentierfreudigen Geist im Moments um Apel. „Mighty Mighty“ covert Alexis Corner-Songs und „Dizzy & the Shampoo Shakers“ verunstaltet opulente Glammrock- und Disco-Hymnen der 70er schön querständig mit einem rudimentären, teils selbstgezimmerten Sperrholzinstrumentarium. Die letzten drei Sommer tingelte er mit befreundeten Musikern durch Südfrankreich und Spanien und verdiente sich das Urlaubsgeld durch Spontan-gigs in Rockschuppen gleich vor Ort.
Timmi Fischer hegt eine klare Vorliebe für den ewig unsterblichen Rock–n–Roll sowie dezent angestaubten Pop und pflegt sämtliche Opi seines Helden Eric Clapten in seinem Plattenschrank. Und auch seine Haare bleiben lang, selbst wenn sie im Freudeskreis gleich reihenweise fallen. Eigentlich liebt er sogar auch Stevie Wonder – und musste ihn deshalb hassen für „I just call to say, I love you“. Er scheut sich nicht einmal, eine gewisse Sympathie für die Backstreetboys zuzugeben – „die Songs sind so schön einfach“. Trotzdem entschied er sich, nach Kindergarten-Zivildienst und einigen wenigen Semestern Schulmusik, an der HfK Jazz zu studieren, 10 Semester lang – wie Captain Future. Und das, obwohl er Jazz schlicht langweilig findet. Er brachte dieses heldenhafte Opfer, um „graue Flecken“ bei seinen musiktheoretischen Kenntnissen aufzuhellen. Trotz Rockvorliebe spielt er in „Captain Future“ den Agenten des Jazz, Dark Vader, die dunkle Seite der Macht. „Irgendwer musste ja diesen schwarzen Plastikhelm überstülpen.“
Dafür rächt ihn die sechsköpfige Raumschiffbesatzung mit einigen wunderbar nostalgischen Captain-Future-Soundtracks mit spacigem Synthiegedudel, dazu jenen Raumschiff-Enterprise-Vorspann, bei dem eine ätherische Frauenstimme in die Weiten des Weltraums entschwebt, die Biene-Maya-Erkennungsmelodie, Jimi Hendrixs „Angel“, Lenny Kravitzs „Super Soul Fighter“ – ist zwar ziemlich neu, aber auch schwer Retro – und Songs von David Bowies Alter Ego Ziggy Stardust und Bowies „Space oddity“. Letzeres ist die Geschichte eines Weltraumhelden, dessen Kabel bei Reparaturarbeiten reißt und der dahinsheidet in der Einsamkeit unter Sternen. Und auch Timmi Fischers kleine Rockoper endet mit der Abnabelung des Mikrophons von Captain Future alias Denis Fischer (bekannt vom Jungen Theater, als Stricher in „Shoppen & Ficken“). „Vielleicht werde ich diesen Schluss noch überarbeiten müssen, weil kein Held ein so trauriges Ende verdient“, meint Fischer in den Weiten des Weltraums zwischen Spaß und Ernst.
Auch die anderen MusikerInnen der Space-Odyssee sind Bummler zwischen verschiedenen musikalischen Welten. Martin Kuzig etwa lernt an der HfK, wie man mit Iannis Xenakis vertrackten Rhythmen fertig wird, krafttrommelt mit in einer japanischen Kodo-Gruppe und spielt in einer Funkband. Auch Bassist Florian Friedrich beamt hin und her vom Jazz zum Rock. Denis Fischer hat kurze Haare, ist aber der Bruder von Langhaar-Chanconier Tim Fischer. Wo hingegen – verkehrte Welt – Timmi Fischer lange Haare hat, aber nichts zu tun mit Tim. Als er im Jungen Theater den Leadgitarristen im Musical „Groupies“ spielte und die Telefone heiß liefen wegen dem anderen Tim, war er ein bisschen genervt. bk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen