: Tabuzone Strafraum
Nach einem ereignislosen 0:0 gegen den Hamburger SV freut sich der SC Freiburg zumindest über den 40. Punkt
FREIBURG taz ■ Vor einer Woche waren die Vandalen in Freiburg gewesen. Nach der 2:5-Niederlage im Dreisamstadion verprügelten Fans der Frankurter Eintracht einen Ordner und verhinderten zu hunderten die Abfahrt des Mannschaftsbusses. Die dabei abgesonderten Drohungen („Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot“) fand nicht nur SC-Keeper Richard Golz alles andere als komisch: „Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter.“
Da sich auch auch der Freiburger Ordnungsdienst unangenehme Fragen gefallen lassen musste, war man am Samstag wild entschlossen, ein Déjà vu zu verhindern. So viel Polizei war jedenfalls schon lange nicht mehr auf den Anfahrtsstraßen, so viel Leibesvisitation noch nie, besonders im Gästeblock wurden die Schlachtenbummler teils minutenlang durchsucht. Wenn die HSV-Fans gewusst hätten, was sie in den folgenden 90 Minuten würden erdulden müssen, sie hätten wohl einen entspannten Spaziergang im Schwarzwald vorgezogen.
In der ersten halben Stunde gab es zumindest sporadisch Hamburger Angriffsbemühungen zu bestaunen. Doch die versandeten samt und sonders. Einzig dem Niederländer Eric Meijer mochte man zutrauen, mit dem Ball Gefährlicheres anstellen zu können, als ihn mutlos dem Nebenmann zuzuspielen. Da sich auch Schiedsrichter Markus Merk dem Niveau der Gäste anpasste, blieb die erste Halbzeit ereignislos: Dreimal pfiff er Freiburg den Vorteil ab, übersah eine Tätlichkeit von Nico-Jan Hoogma und sorgte durch kleinliche Regelauslegungen dafür, dass ein Spielfluss erst gar nicht entstehen konnte. Bezeichnend, dass ein 18-Meter-Schuss von Vladimir But die einzige Torchance in diesem an Strafraumszenen so armen ersten Abschnitt blieb.
Immerhin gelang es dem SC nach einer halben Stunde, das Spiel eindeutig zu dominieren. Das änderte sich auch nach dem Wiederanpfiff nicht, wenngleich der Hamburger Strafraum nach wie vor Tabuzone blieb. So langsam, aber sicher wie der HSV auftrat, rannte dem SC die Zeit weg. Doch die Südbadener agieren eben auch dann nicht energischer, wenn ihnen nur noch wenige Spielminuten verbleiben. Das kann man, je nach Perspektive, auch als taktisch diszipliniertes Auftreten loben. Denn wenn Trainer Volker Finke eines hasst, dann ist es das Spiel mit der Brechstange. „Ich war zufrieden, dass wir kontrolliert gespielt und nicht mit hohen Bällen durch die Mitte agiert haben“, sagte Finke also später. Noch davor vergab Alexander Iashvili die zweitgrößte Chance (81.), bevor Schiedsrichter Merk die größte vereitelte, indem er nach einem Foul von Hoogma an Adel Sellimi den fälligen Elfmeter verweigerte.
Mit dem 0:0 hat das Team von Finke dennoch den 40. Punkt und damit ziemlich sicher den Klassenerhalt geschafft. Doch das war dem Coach an diesem Nachmittag ziemlich egal. Denn die taktische Ausrichtung der Hamburger („Da hat ein Mann in der Offensive gefehlt“) und das fehlende Tor („Dann macht der Gegner auf, und das Spiel wogt hin und her“) hatten dem Fußball-Ästheten den Spaß verdorben: „Mir ist eben nicht egal, wie man vierzig Punkte holt.“ Damit formulierte er die exakte Antithese zur Spielanalyse Frank Pagelsdorfs, der sich mittlerweile mit Minimalzielen zufrieden gibt: „Mühsam nährt sich das Eichhörnchen“.
Dass das von Finke bemitleidete Publikum dann allerdings wenigstens in der Schlussviertelstunde noch mal aufwachte, lag nicht zuletzt an dem eingewechselten Zoubaier Baya, der durch engagiertes Auftreten und kluge Pässe für Verwirrung in Hamburgs Hintermannschaft sorgte. Auf eine wohlwollende Kommentierung seiner hervorragenden Leistung durfte der bei Finke in Misskredit geratene Tunesier deshalb aber noch lange nicht hoffen: „Es war für die Entwicklung des Spiels wichtig, dass noch ein Mittelfeldspieler kam. Er hat das auch ganz ordentlich gemacht. Und damit kann ich leben.“ Es klang, als habe er jeden geglückten Pass des Tunesiers als persönliche Beleidigung empfunden. CHRISTOPH RUF
SC Freiburg: Golz - Kehl - Schumann, Diarra - Willi, But, Coulibaly (70. Baya), Zeyer (79. Zandi), Kobiaschwili - Iaschwili, Sellimi Hamburger SV: Butt - Hoogma - Ujfalusi, Panadic - Kientz - Töfting, Kovac (46. Präger), Barbarez, Hollerbach (63. Hertzsch) - Mahdavikia (71. Heinz), Meijer
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