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Immer nur Gutes

Wer in Deutschland Falun Gong kritisiert, den erklärt die Sekte zum Handlanger Pekings

von SVEN HANSEN

Anhaltende Repression gegen Falun Gong in China, Foltertote im Polizeigewahrsam und Probleme mit ihren Botschaften, wenn Chinesen im Ausland Falun Gong praktizieren: Darüber berichtete die taz am 4. Januar. Der Artikel erwähnte gar, dass Li Hongzhi – der Gründer von Falun Gong – für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde. Doch Falun-Gong-Anhänger beschwerten sich bei der taz. Denn der Bericht benutzte zweimal das Wort „Sekte“ und einmal „Guru“.

Falun Gong sei eine „Meditationsbewegung“ und keine Sekte, wurde die taz belehrt. Dieser Begriff wecke negative Assoziationen, und Falun Gong sei schließlich nur positiv. Li Hongzhi sei auch kein Guru, sondern ein „Meister“. Die Entgegnung, dass der indische Ausdruck Guru auch Meister bedeute, aber umgangssprachlich eine kritische Distanz ausdrücke, wurde nicht akzeptiert. Li tue nur Gutes und sei deshalb nur als Meister zu bezeichnen.

Ausgeprägter Führerkult

Die Anrufe erfolgten alle nach dem gleichen freundlich belehrenden Muster. Andere Journalisten berichten von ähnlichen Erfahrungen. Das verstärkt den Eindruck, dass es sich im umgangssprachlichen Sinn sehr wohl um eine Sekte handelt. Als die taz auch deshalb bei dem Begriff blieb, rief Lei Zhou vom „Falun Dafa Informationszentrum“ in Weinheim an, dem deutschen Propagandabüro von Falun Gong („Die weltweit am schnellsten wachsende spirituelle Übungspraxis“). Sie argumentierte, in Deutschland Falun Gong als Sekte zu bezeichnen würde Chinas Regierung einen Freibrief für die Unterdrückung liefern. Damit mache sich die taz zum Handlanger Pekings.

Damit instrumentalisiert Falun Gong die Menschenrechtsverletzungen an seinen Anhängern in China, um eine kritische Auseinandersetzung mit sich zu unterbinden. Dieses Schwarzweißdenken fällt besonders in Dissidentenkreisen auf fruchtbaren Boden. Die Anhänger der Demokratiebewegung beeindrucken nämlich die klandestine Organisationsfähigkeit, die starke Basis und die Zähigkeit der genuin chinesischen Sekte.

Doch angesichts der brutalen Verfolgung von Falun Gong wird übersehen, dass die Sekte selbst keinesfalls aufklärerisch im demokratisch-pluralistischen Sinn ist. Falun Gong vertritt eine rigide Ideologie mit einem ausgeprägten Führerkult und birgt zumindest für labile Menschen potenzielle Gefahren.

Charakterisierungen von Experten, die auf die Unschärfe des Sektenbegriffs verweisen, reichen bei Falun Gong von „tendenziell sektiererisch“ über „sektenartig“ bis „Sekte“. Der Streit um den Begriff sei aber nebensächlich, als Problem wird vor allem die völlig dominante Stellung von Li Hongzhi gesehen. „Wenn er verlangt, dass seine eigene Meinung und Theorie behandelt wird, als seien sie das absolute Wort, und wenn es sich um eine Theorie handelt, die in vielen Punkten eher abwegig ist, dann ist das durchaus bedrohlich für den Einzelnen“, sagt Ingo Heinemann, der Sprecher des Bonner Vereins „Aktion für Geistige und Psychische Freiheit“ (AGPF), die über spirituelle Gruppen aufklärt.

„Li Hongzhi stellt sich außerhalb jeder Kritik, weil er beansprucht ein Buddha zu sein“, sagt Thomas Gandow vom Pfarramt für „Sekten und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg“. „Li verlangt strikten Gehorsam von seinen Anhängern.“ Es bestehe die Gefahr kritikloser Abhängigkeit, geistig seelischer Isolation und dass Forderungen aufgestellt würden, die von Anhängern dann auch umgesetzt würden. „Dass alles nur aus den Büchern und Videokassetten des Meisters genommen werden darf, verstärkt die individuelle Abhängigkeit und Hörigkeit“, so Gandow.

„Für Labile sehr ungesund“

Martin Scheidegger von der „Ökumenischen Beratungsstelle Religiöse Sondergruppen & Sekten“ in Luzern findet das Weltbild von Falun Gong gefährlich: „Es verspricht eine kosmische höhere Wirklichkeit, die so nicht überprüfbar ist und die den Menschen dazu verführt, das Hier und Jetzt nur noch als Weg oder Vorstufe zu sehen für das, was er eigentlich erreichen möchte. Das ist gerade für labile Menschen sehr ungesund.“ Scheidegger hält Falun Gong durchaus für politisch und für sehr gut organisiert, auch wenn dies von der Sekte selbst bestritten wird. Und das Heilsversprechen der Sekte berge sehr wohl die Gefahr, dass Anhänger auf klassisch medizinische Behandlung verzichteten und sich damit möglicherweise gefährdeten.

Falun Gong sei zumindest in Deutschland harmlos, meint hingegen Ulrich Dehn von der „Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen“ in Berlin. In Gesprächen mit Anhängern sei er zu dem Eindruck gelangt, dass sie leicht aussteigen könnten. Andere Sektenberater begründen hingegen die geringen Kenntnisse über die innere Struktur von Falun Gong damit, dass in Deutschland noch keine Aussteiger bekannt seien, die Interna berichten könnten. Es gibt den Verdacht, dass es hinter dem von Falun Gong gern verbreiteten Image einer quasi harmlos im Park meditierenden Gymnastikgruppe eine straffe Organisation steht. Beweise gibt es aber nicht. „Ich sehe nur, dass Falun Gong schlagkräftige Demonstrationen veranstaltet, das dürfte ohne Organisation nicht gehen“, meint AGPF-Sprecher Heinemann.

Dehn sieht auch einzelne rassistische und homosexuellenfeindliche Äußerungen von Li Hongzhi nicht als problematisch an. Er kenne Anhänger, die diese Äußerungen schlicht ignorierten, so Dehn, und Falun Gong zähle auch Schwule und Lesben zu seinen Anhängern. Irritierend finde er allerdings auch, dass Lis Hauptwerk Zhuan Falun auf Falun-Gong-Tagungen geradezu litaneimäßig rezitiert werde. Fragen nach persönlichen Meinungen der Anhänger würden oft nur mit Li-Zitaten beantwortet.

Kampf totalitärer Ideologien

In Deutschland wird die Zahl der Anhänger auf ein- bis zweitausend geschätzt. Sie treffen sich in 20 Städten, zum Beispiel im Bremer Bürgerpark, im Berliner Tiergarten oder auf der Hamburger Moorweide. Erst kürzlich veranstaltete das „Falun Dafa Informationszentrum“ eine Pressekonferenz in Berlin. Präsentiert wurden zwei chinesischstämmige australische und kanadische Falun-Gong-Anhänger, die aus eigener Erfahrung von Folter und Misshandlungen in chinesischem Polizeigewahrsam berichteten. An ihren Schilderungen gab es kaum Zweifel. Doch auf die Frage, warum die beiden überhaupt nach China zurückzukehrt seien, um auf Pekings Tiananmen-Platz die Führung mit Falun-Gong-Übungen zu provizieren, die sie ungestört in ihrer neuen Heimat hätten verrichten können, blieben sie eine Antwort schuldig.

Ein Verbot von Falun Gong fordert kein Sektenberater. „Den Chinesen sage ich, nehmt euch ein Beispiel und lernt von uns, wie man mit fragwürdigen Bewegungen umgehen muss. Wir müssen informieren und offen und transparent die kritischen Fragen stellen, aber nicht verbieten“, sagt der Luzerner Sektenberater Scheidegger. Er wertet den Konflikt um Falun Gong in China als Kampf von Anhängern zweier totalitärer Ideologien. Aufklärung und eine öffentliche Debatte fordert auch AGPF-Sprecher Heinemann. Falun Gong sollte in Deutschland beobachtet werden, fordert er, beobachtet „aber im Sinne des Verbraucherschutzes und nicht des Staatsschutzes“.

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