: Wer nicht dabei war, hat eben Pech gehabt
■ „Subventionshöhen sind kein Naturgesetz“: Thalia-Intendant Ulrich Khuon stellt lästige Fragen
„Die Frage ist, ob es eine Naturgesetz ist, dass das Thalia Theater sechs Millionen weniger bekommt als das Schauspielhaus.“ Thalia-Intendant Ulrich Khuon neigt an sich nicht dazu, sich übermäßig aufzuregen, will auch nicht „dass dem Schauspielhaus etwas weggenommen wird“. Trotzdem meint er, solche Fragen müssten erlaubt sein. Sein kaufmännischer Geschäftsführer Ludwig von Otting haut in dieselbe Kerbe: „Eigentlich sind wir mit 1000 Plätzen inzwischen das größte Theater in Hamburg. Trotzdem bekommen wir seit 1993 dieselbe Subventionssumme. Wenn man die Tarifsteigerungen mitrechnet, haben wir faktisch 15 bis 20 Prozent verloren.“
Keine erfreuliche Situation, wie die Thalia-Leitung bei der jüngsten Spielplan-Konferenz betonte, und Grund dafür, dass man auch in dieser Spielzeit eine Million aus den Rücklagen der Flimm-Ära dazunehmen muss, um das Budget einzuhalten. „Dann sind die Vorräte aufgebraucht, und wir müssen die fehlenden Gelder anderweitig einspielen“, sagt Khuon. Und da ist es schon enorm günstig, dass etliche Produktionen zu Gastspielen eingeladen wurden: Liliom, inszeniert von Michael Thalheimer, ist zum Berliner Theatertreffen, Dea Lohers Klaras Verhältnisse zum Heidelberger Stückemarkt und Moritz Rinkes Republik Vineta zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen worden. Tomaz Pandurs Inferno aus Dantes Göttlicher Komödie wird von NDR und ARTE aufgezeichnet. Und wenn schon von Zahlen die Rede ist, wartet das Thalia auch gleich mit Zuschauerzahlen auf: Eine Platzauslastung von 65 Prozent kann das Haus derzeit verzeichnen; die Zahl der verkauften Jugendtickets stieg von 17.000 in der vergangenen Spielzeit auf jetzt 27.000.
Aber eigentlich schätzt Khuon solche Kriterien nicht: „Die Platzauslastung sagt nichts über das Renomee eines Stückes aus. Ein Stück wie Liliom etwa, das in aller Munde ist, hat keine überragenden Zuschauerzahlen.“ Auf durch Zahlen definierte Qualität wollen sich die Thalia-Macher daher auch nicht flächendeckend einlassen und plädieren stattdessen für Formenvielfalt: „Im Thalia in der Gaußstraße wird es auch Inszenierungen geben, die nur einmal gespielt werden. Wer nicht dabei war, hat eben Pech gehabt“, sagt süffisant Chefdramaturg Michael Börgerding.
Petra Schellen
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