piwik no script img

■ H.G. HolleinBeschwerde

Die Frau, mit der ich lebe, zeigt Zeichen von Unzufriedenheit. Ausnahmsweise mal mit sich selbst. Früher, so sinniert die Gefährtin, habe sie sich mit einem fröhlichen Pfeifen auf den Lippen unter der Dusche getummelt und sei anschließend beschwingten Schrittes an ihre Wirkungsstätte geeilt. Heute nähert sie sich den reinigenden Strahlen mit muffligem Schlurfen und der Erfüllung der Werktätigen mit durchaus beherrschter Dynamik. Als mitfühlender Mustergefährte bin ich natürlich mit Rat und Tat zur Stelle. Vom Kredenzen eines erfrischenden Gläschens Milch an der morgendlichen Liegestätte bin ich allerdings nach dem ersten Versuch wieder abgekommen. Reagierte die Gefährtin doch lediglich mit einem unwirschen „Uäh!“ und einer vergleichsweise flotten Rolle zur Wand. Den Versuch, die Gefährtin mit ein paar vorgetänzelten Schritten zu einem anregenden Trott um den Block zu verleiten, habe ich ebenfalls aufgegeben. Der feindselige Blick, der mir durch den aufsteigenden Rauch der Morgenzigarette zuteil wurde, sprach nicht unbedingt dafür, dass die Gefährtin eine übergroße Bereitschaft verspürte, ihrer Lunge Frischluft zuzuführen. Eher kontraproduktiv war auch mein schmetternder Vortrag von „Im Frühtau zu Berge wir ziehn, Falera!“ Nachdem mich die Gefährtin im Verlaufe einer mehrminütigen Kissenschlacht zum Schweigen gebracht hatte, jappste sie nur irgendwas von „Vollkommen erledigt ... hast du nun davon“ und fiel wieder auf ihr Lager zurück. Die ultima ratio, um die Gefährtin aus dem Bett zu treiben, ist das Vorstellen des Weckers, auf dass der Eindruck entstehe, sie habe verschlafen. Es empfiehlt sich allerdings, nicht mehr in der Nähe zu sein, wenn die Gefährtin die erste richtig gehende Uhr zu Gesicht bekommt. Vielleicht sollte ich es langfristig doch lieber mit dem Hinweis versuchen, dass morgens unter der Dusche eine Überraschung auf sie wartet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen