zahl der woche: Europas Materialhunger ungebremst
Abraum für den Ehering
Da staunt der Schmuckträger: Der einfache Ehering von etwa 5 Gramm Gold hat einen ökologischen Rucksack so schwer wie ein Kleinlaster. Denn für 5 Gramm Gold müssen etwa 5 Tonnen Erdreich bewegt werden. Daran hat sich bei aller Effizienzsteigerung nicht viel geändert. Nach wie vor verbrauchen die Menschen in den Industrieländern riesige Mengen von Materialien für die Produkte des täglichen Lebens. Pro Europäer, das hat nun die Europäische Umweltagentur EUA in einer Studie veröffentlicht, sind das 50 Tonnen im Jahr. Fazit der Behörde: Die Europäische Union, gerade im Klimastreit mit den USA als globaler Umweltengel unterwegs, belastet zunehmend die globale Umwelt durch ihren Materialhunger.
Für die 373 Millionen Europäer wurden ungefähr 19 Milliarden Tonnen Material der Erde entnommen. Das ist zwar deutlich weniger als in den USA (84 Tonnen pro Kopf), doch mehr als in Japan (45). Für die Zeit von 1988 bis 1997 ist das in der EU ein Zuwachs von 11 Prozent, während die Wirtschaft um 18 Prozent wuchs. Anders als etwa beim Energieverbrauch hat es damit keine deutliche Abkopplung des Ressourcenverbrauchs vom Wachstum gegeben. Mehr Wachstum heißt also auch mehr Umweltschäden.
Die werden zunehmend ins Ausland verlagert, zeigt die Studie, die das Wuppertal Institut für die EUA erstellt hat. Hier arbeiten Forscher seit Jahren an einem Index für den Globalen Materialaufwand (GMA). Europa verbraucht demnach vor allem fossile Brennstoffe, Metalle und Mineralien. Von einer Ausbeutung der heimischen Vorräte und den Umweltschäden vor Ort geht der Trend zum Import von Kohle und Eisenerz: „Bereits 40 Prozent des Bedarfs wird von der EU importiert“, sagt Stefan Bringezu, einer der Autoren der Studie. „Das Hauptproblem ist, dass der Materialaufwand unverändert hoch und dass dieser Verbrauch nicht auf Dauer durchzuhalten ist.“ Das zeige sich, wenn man die deutschen Werte von 50 Tonnen auf die Weltbevölkerung hochrechne. Die Frage sei letztlich ganz konkret: „Wie viele Garzweiler verkraftet die Umwelt?“
BERNHARD PÖTTER
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