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Ein Klang mit Eigenschaften

Auch eine Art Postrock: Baaba Maal scheint sich von seinen Pop-Ambitionen verabschiedet zu haben. Im Pfefferberg lenkte der Star aus dem Senegal die Aufmerksamkeit auf die eigentliche Basis seiner Musik – Ein Grundkurs in rhythmischer Komplexität

von DANIEL BAX

Mundpropaganda ist doch die beste Werbung. Nur vereinzelte Plakate und Handzettel hatten das Konzert von Baaba Maal angekündigt, und in den einschlägigen Programmzeitschriften fand sich kaum ein Hinweis auf das Gastspiel des Sängers, der im Senegal auf einer Stufe steht mit seinem im Westen weitaus bekannteren Kollegen und Rivalen Youssou N’Dour. Doch die Fangemeinde war informiert: Eine lange Schlange blockierte den Eingang zum Pfefferberg noch zu einem Zeitpunkt, als das Konzert längst hätte beginnen sollen. Und drinnen wurde derweil die schlechte Luft mit jedem Eintretenden, der noch im Saal Platz suchte, dünner.

Der Atmosphäre eines Familienfests taten Rauch und Zugluft jedoch keinen Abbruch. Mütter trugen ihre fröhlich bezopften Kinder auf den Schultern, während sich afrikanische Männer in Batikhemden und Basecaps freudig begrüßten. Gewohnheitskiffer mit klammen Fingern drehten sich ihre Tüten schon mal auf Vorrat, während sich die versammelten Medienvertreter von Radio Multikulti bis zur taz mal wieder im Tresenbereich tummelten.

Erst vor zwei Jahren war Baaba Maal zuletzt im Pfefferberg zu Gast, damals noch mit seinem gerade frisch erschienenen Album „Nomad Soul“ im Gepäck. Sein jüngstes Werk, schlicht „Missing You“ betitelt, markiert nun allerdings eine deutliche Kehrtwende im Vergleich zum ambitionierten Afro-Pop des Vorgängers „Nomad Soul“, der merklich von der Handschrift des britische Produzenten Simon Emerson gezeichnet war: Spröde Songwriter-Einfachheit statt opulenter Pop-Arrangements, perlende Gitarren- und Kora-Klänge statt tuckernder Synthesizerspielereien, handgemachte Polyrhythmik statt eingängiger Beats aus der Maschine. Es klingt, als habe sich Baaba Maal nach seinen Ausflügen in Richtung Weltbeat nun eine Art Postrock-Phase verordnet.

Auf der Bühne aber präsentierte sich Baaba Maal schon immer wesentlich Roots-verbundener, als es seine teilweise überfrachtet wirkenden Tonträger befürchten ließen. Bei seinem Auftritt in Berlin spiegelte sich die Inszenierung von Tradition auch im Setting der Band: Da sah sich Baaba Maal flankiert von seinem Gitarristen, einem Kora-Spieler und der wie eine Königin gewandeten Griot-Sängerin Mami Kanuté, die ihm mit ihrer Stimme stellenweise fast die Show stahl. Ein Keyboard fehlte diesmal ganz. Dafür stand hinter ihm ein ganzes Set Sabar-Trommeln, an denen sich mitunter bis zu drei Mann abarbeiteten. Plätscherte die Perkussion anfangs nur zur Untermalung seines Gesangs dahin, so spielte sie sich mit der Zeit immer mehr in den Vordergrund und schwang sich zu immer komplexeren Mbalax-Kaskaden auf, dem populären Tanzrhythmus des Senegals. Dass es gerade der Inhalt seiner Lieder ist, auf dem Baaba Maals Ansehen beruht, stand seinem Erfolg in Europa bisher eher im Weg. Mit der Besinnung auf die rhythmischen Grundlagen seiner Musik aber weiß er, wie man sich trotzdem ins Gehör seines Publikums spielt.

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