: Schröders Vorschlag ist falsch
betr.: „Arbeitslosen-Debatte“, taz vom 11. 4. 01
Schröders Vorschlag ist falsch. Es gibt vier Millionen arbeitslos gemeldete Menschen, von denen zwei bis drei Millionen tatsächlich eine Arbeit finden wollen (und außerdem noch Studenten, Hausfrauen etc., die vielleicht auch gern einen Job hätten, aber nicht in der Statistik auftauchen). Die Anzahl der freien Stellen ist viel geringer. Das heißt, es kann ohnehin nicht jeder, der will, einen Job bekommen. Warum soll man dann auch noch diejenigen bedrängen, denen es gar nichts ausmacht, keiner Erwerbsarbeit nachzugehen? Damit würde man doch jenen die Arbeitsplätze wegschnappen, die – sogar zu miserablen Bedingungen – arbeiten wollen. MARTIN WILKE, Berlin
[. . .]Was ist ein Langzeitarbeitsloser mit seinen miesen Bezügen gegen einen hoch bezahlten „Volksvertreter“, der, wenn überhaupt anwesend, während der Plenartagung pennt, Maniküre macht, grüne Pullover strickt, Zeitung liest, sich mal schnell in die Kantine abseilt? Wer noch cleverer ist, lässt sich auch mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr mal eben in die Schweiz zum Töchterchen fliegen oder borgt die gepanzerte Limousine an den Ehemann aus. Es genügt eben nicht, unfähig zu sein, man muss auch in die Politik gehen. [. . .]
Wie ich immer schon sagte, die Sozialdemokraten sind ebenso wenig sozial, wie die Christdemokraten christlich sind. Der Beifall aus dem tiefen Bayern bestätigt das nur. [. . .]
HARALD PAPENFUSS, Erfurt
betr.: „SPD: Arbeitslose doch nicht faul“, taz vom 10. 4. 01
[. . .] Ein Regierungschef, der 1,8 Milliarden Überstunden hinnimmt, ohne diesen Missbrauch wirtschaftlicher Macht gesetzlich zu begrenzen, muss sich sagen lassen, dass es am wenigsten für die Bundesregierung ein Recht auf Faulheit geben kann.
Osteuropäische Billigkräfte in der Landwirtschaft oder Gastronomie sind jedenfalls kein Beleg für deutsche Drückebergerei. Von diesen Löhnen kann nur jemand seine Familie ernähren, wenn er sie nach Osteuropa ausquartiert hat. Und das ist wohl selbst auf der Schröder-Galeere noch nicht zumutbar. [. . .]
ROLF MÜLLER, Trennewurth
Die Äußerungen Schröders bezüglich härterer Maßnahmen gegenüber „arbeitsunwilligen“ Arbeitslosen sind unerträglich. Als ich mein Studium begonnen habe, wurde mir in der Studienberatung versichert, dass die Absolventen zwischen zwei bis vier Arbeitsstellen wählen könnten. Nach meinem Diplom sah die Situation genau umgekehrt aus. Obwohl ich, als eine der wenigen unseres Studiengangs, einjährige Auslandserfahrungen und Kenntnisse in drei Fremdsprachen vorzeigen konnte, gingen die Chancen gegen Null. Die anschließende Arbeitslosigkeit hat mir erstmals die psychischen Folgen vor Augen geführt, die vom unreflektierten Glauben der Gesellschaft an die Werte „Leistung, Arbeit, Geld“ ausgelöst werden. [. . .] INGA BÜHLER, Heide
Die Schelte der angeblich faulen Arbeitslosen, diejenigen, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einfach so mal noch ein paar Monate Arbeitslosenunterstützung mitnehmen, verfängt angesichts der hohen Zahlen von Arbeitslosigkeit nur wenig. Wahr ist jedoch, dieses Verhalten besteht und wird durch das bestehende System gefördert. [. . .] Daher ist eine vom Bund steuerlich finanzierte Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe eine weiter zu verfolgende Idee, die auch strukturschwache Gebiete entlasten dürfte. Dieses System verlangt jedoch die in anderen Ländern übliche Abfindung bei auch im Einverständnis erfolgenden Auflösung von Arbeitsverträgen: Entlässt ein Betrieb seine Arbeitnehmer, sollte er ihm mindestens drei Monate, bei längere Beschäftigung sechs bis 15 Monate Bruttolohn dreingeben.
Eine solche Maßnahme würde zusätzlich einen Teil der konjunkturbedingten Kündigungen verhindern, da nun Kündigungen sich sofort direkt negativ aufs Budget des Beitriebs auswirken würden. Die begleitende Streichung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, deren Arbeitnehmeranteil selbstverständlich dem Arbeitgeber zugute kommen müsste, würde überdies zu einer Konjunktursteigerung führen. [. . .] SAM MORE, Berlin
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