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Von Kreisen und anderen Dingen

■ Die Galerie Seinsoth zeigt eine sehenswerte Ausstellung des US-Komponisten und Künstlers Philip Corner

Irgendwann während des Gesprächs kommt ein Mann und hält Corner eine seiner Schallplatten mit der Bitte hin, diese zu signieren. Gerne, antwortet dieser, zieht das Vinyl aus der Hülle und hält kurz inne. Da ist ja gar keine Ecke auf dem runden Label und er, der Name ist Programm, signiert gerne around the corner.

Eigentlich ist der 1933 in New York geborene Philip Corner Komponist. Besser gesagt: In seiner künstlerischen Biografie scheint es kein eigentlich zu geben. Das erinnert ein wenig an John Cage, den er natürlich kannte. Wie Cage beschäftigte sich Corner mit Musiktheorie und östlicher Philosophie, wie er arbeitete Corner mit Tanzensembles zusammen, arbeitete an grafischen Partituren und zeichnete. „Cage sagte, alles sei Musik, und La Monte Young sagte, wenn das so ist, dann ist eine einzige Note zu spielen auch Musik. Ich bin irgendwo dazwischen.“

Ein Teil der Ausstellung „Realities, idealities and other things“, die jetzt in Bremen zu sehen ist, besteht aus „Visual Sonatas“. Auf Notenpapier erkennt man die Umrisse thailändischer Zimbeln. Die leichten Grafit- und Kohlezeichnungen scheinen verschiedene Töne zu symbolisieren, die mit dem angedeuteten Instrument erzeugt werden können, Klangfarben, wie ein Negativ eines Musikstücks. Diese Serie aus dem vergangenen Jahr korrespondiert mit Corners „Metal Meditations“ aus den 60ern, nur dass es damals tatsächlich ums Spielen ging, die Möglichkeiten, Zimbeln zum Klingen zu bringen.

In seiner Musik wie in den hier präsentierten Arbeiten erweist sich Corner, der seit Beginn der 90er Jahre in Italien lebt, als Minimalist. Wobei er, mühelos wie es scheint, den humorvollen mit dem grüblerischen Blick zu verbinden weiß. Entsprechend offen sind auch die Arbeiten. Die überschaubare Anzahl von 22 hängt in den hellen Räumen der Galerie Seinsoth Beim Steinernen Kreuz. Neben den Sonaten die „Pieces of Reality“, die „Pieces of ideal Reality“, die „Rainbow Pieces“ und der Zyklus „Das ewig Weibliche“. Es sind Abdrücke von Zahnbürsten und Rasierern auf Papier, mit Tusche regenbogenfarbig ummalte Kaffeebohnen, Geldstücke und Pfirsichkerne. Alltagsgegenstände eben. Aber nicht die wirklichen Dinge als objèts trouvés, sondern das Abbild, das Zeichen. Das ist ebenso schön wie simpel.

Das ewig Weibliche. In diesem Zyklus findet man von einem ganz anderen Ausgangspunkt die Idee des optisch dargestellten Klangs wieder. Vierzehnmal wird das elliptische Gebilde variiert, durcheinander, nebeneinander, übereinander geschrieben. Aus der Distanz betrachtet, entstehen Zusammenballungen, Cluster. Dies wiederum korrespondiert erneut mit musikalischen Arbeiten Corners aus den frühen 60ern, in denen er unterschiedlich mit der Stimme umging. So wie die Variationen hier mit dem Übergang vom Leserlichen zum nicht mehr Lesbaren spielen, war dort die Stimme mal Träger von Wort(sinn), mal stand der Klang im Mittelpunkt.

Man sollte sich von der scheinbaren Einfachheit der Arbeiten Corners nicht täuschen lassen. Vieles ist um die Ecke gedacht. Lange Zeit habe er sich mit der klassischen Philosophie beschäftigt, dies aber in der Absolutheit aufgegeben. Er habe Cage als praktischen Philosophen geschätzt, und etwas davon spiegelt sich auch in den Werken wieder. Denn wie sich im Anschluss an Cages „Everything can be music“ die Exponate auch als Kommentar zur Kunst lesen lassen, konfrontiert uns Corner gleichwohl nie mit einer übermäßigen theoretischen Sättigung. Allein die schlichte Schönheit spricht dagegen.

Tim Schomacker

Bis 26. Mai in der Galerie Beim Steinernen Kreuz. Eröffnung heute, Dienstag, 20 Uhr

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