: Gala mit Abschiedsschmerz
Der abstiegsunbedrohte SC Freiburg gewinnt gegen die pfälzische Schießbude 1. FC Kaiserslautern mit 5:2, verliert aber seinen tunesischen Mittelfeldmotor Zoubaier Baya – vielleicht aber auch nicht
aus Freiburg ULRICH FUCHS
„Das Leben geht weiter“, sagte Zoubaier Baya, als alles vorbei war. Und fast konnte man den Eindruck gewinnen, als hätte gerade der Sport Club Freiburg eine 5:2-Abreibung bekommen und nicht der 1. FC Kaiserslautern. Und der Tunesier war nicht der Einzige, bei dem die Freude Trauer trug an diesem denkwürdigen Fußballnachmittag. „Baya t’en vas pas“, hatten Fans auf ein Transparent gemalt, „Baya geh nicht weg“, und ein ums andere Mal rollten „Baya, Baya“-Chöre durchs überbordende Oval des Dreisamstadions.
Dem vorläufigen Höhepunkt im unendlichen Hin und Her um den tunesischen Kapitän der Freiburger hatte SC-Trainer Volker Finke mit einer großen Geste Vorschub geleistet. „Wir sollten nicht so viel über den Fall Baya sprechen“, hatte Finke vor 14 Tagen die Lokalpresse angemahnt, „sondern diesem wunderbaren Fußballspieler einen großen Abschied bereiten.“ Aber geglaubt hatte ihm das so richtig keiner. Zu zerrüttet schien das Verhältnis zwischen dem Klub und Baya, dessen Fußballkünste die Renaissance des Freiburger Kurzpassspiels nach dem Wiederaufstieg befördert hatten.
Zum Ende der Saison läuft Bayas Vertrag in Freiburg aus, die Zukunft des Strippenziehers im zentralen Mittelfeld geriet zunehmend zur Gänseblümchen-Frage: Bleibt er, bleibt er nicht, bleibt er, bleibt er nicht? Die Position des Vereins in diesem Spiel: Voraussetzung einer Vertragsverlängerung wäre, dass Baya sein Engagement für das tunesische Nationalteam in kalkulierbaren Grenzen hält. Hintergrund hierfür: Zuletzt hatte Baya nicht nur immer wieder bei Bundesligaspielen gefehlt, sondern mit Regelmäßigkeit auch die Saisonvorbereitung verpasst, was mit offensichtlichen Folgen für Fitness und Form verbunden war. Weil er gegenüber den Freiburgern zu Zugeständnissen trotzdem nicht bereit war und zum Karriereende offenbar auf einen lukrativen Kontrakt bei einem neuen Verein spekulierte, reagierte der Sport Club: Für die Positionen im offensiven Mittelfeld wurden mittlerweile drei potenzielle Baya-Nachfolger akquiriert: Der Malier Soumaila Coulibaly sowie Vladimir But und Ibrahim Tanko von Borussia Dortmund.
Was die Sache noch vertrackter macht: Bayas Hoffnungen auf eine Anstellung bei einem renommierten Klub scheinen sich inzwischen zerschlagen zu haben, während man beim Sport Club zunehmend vergrätzt reagierte, dass der Tunesier seinen Weggang in der Öffentlichkeit als Freiburger Abschiebeaktion („Man will mich hier nicht mehr“) deklarierte. Mithin deutete nichts darauf hin, dass Finke den Tunesier, der bei den letzten zwei SC-Heimspielen bei der tunesischen Nationalmannschaft weilen wird, zum Abschied vom Freiburger Publikum in der Startelf nominieren würde.
Genau das aber tat er, und zusammen mit seinen Kollegen sorgte Baya im Gegenzug dafür, dass der Abend als hinreißende 45-Minuten-Gala des Freiburger Kurzpasszaubers in die Annalen eingehen wird. Was auch an der Hilfestellung der ungelenken Gäste aus Kaiserslautern lag. „Jeden Zweikampf verloren, jeder Schuss ein Tor“ – so fasste Andreas Buck die Ereignisse des ersten Durchgangs zusammen, nach denen sein Team mit 0:5 zurücklag.
Trainer Finke war dabei vom Spielfeldrand aus aber nicht entgangen, „dass einige Spieler kräftemäßig über ihre Grenzen gegangen waren“. Den beschwingten 45-Minuten-Tänzern hatte er deshalb zur Pause zur Wiedererlangung der Bodenhaftung zu verhelfen versucht und eine Spende in die Mannschaftskasse ausgelobt, „wenn sie das zu null halten“. Was nicht gelang, die gute Stimmung aber auch nicht trüben konnte. Zumal der Spieler mit der Nummer 7 auf dem Rücken am Ende einer hinreißenden Kombination per Volleyabnahme für den Treffer gesorgt hatte, der die Liebhaber des Freiburger Spiels am allermeisten entzückte. „Alles erdenklich Gute“, wünschte Zoubaier später „dieser Mannschaft und diesen Fans“. Und war glücklich und traurig darüber, dass er „das Wichtigste überhaupt geschafft hatte: dass ich immer gerne hierher zurückkommen werde“. Fragt sich nur, ob er überhaupt gehen wird. So ganz genau weiß das nämlich noch immer keiner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen