: Kritische Polizisten, hart auf Konkurs
Der widerspenstigen Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten droht der finanzielle Ruin, weil ihre Chefin zu schnell kritisierte
BERLIN taz ■ Fünfzehn Jahre galt sie als eine Gegeninstitution zur deutschen Polizei. Doch nun könnte der 1986 gegründeten „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten und Polizistinnen e.V.“ das Ende drohen. Was jahrelange Disziplinierungsversuche durch Vorgesetzte und die Ächtung bei vielen Kollegen nicht vermochten, könnte der schnöde Mammon schaffen.
Mit zwei Unterlassungsklagen haben der Berliner Polizeipräsident Hagen Saberschinsky und ein Polizeidirektor die Arbeitsgemeinschaft an den Rand des finanziellen Ruins getrieben. Mit dem drohenden Kollaps der Vereinskasse bröckelt inzwischen auch die frühere Geschlossenheit der Kritischen Polizisten.
Hintergrund des Desasters ist der Selbstmord eines Berliner Polizisten im November 2000. Unmittelbar nach Dienstende hatte sich der Mann damals erschossen. In einer Presseerklärung ihrer Sprecherin Bianca Müller hatten die „Kritischen“ schweres Mobbing durch einen Vorgesetzten als Motiv genannt. Dabei hatte Müller darauf hingewiesen, dass der Vorgesetzte des Beamten vor einigen Jahren in einen ähnlichen Fall verwickelt war.
1997 hatte sich eine Untergebene ebenfalls erschossen und in einem Abschiedsbrief schwere Mobbing-Vorwürfe gegen Kollegen erhoben. Auch auf der neuen Dienststelle des Polizeidirektors herrsche Mobbing, hatte sie erklärt. Der Bundesarbeitsgemeinschaft seien „bereits mehrere schwere Mobbing-Fälle von dieser Dienststelle bekannt geworden“ und auch der Polizeiführung sei dies „nicht unbekannt“. Die Behauptung erregte Aufsehen und die Angegriffenen schlugen zurück.
Der Polizeipräsident sah seine Behörde verleumdet, der Polizeidirektor – obgleich namentlich nicht genannt – sein Ansehen beschädigt. Für den Fall, das sie die Anschuldigungen nicht zurücknähmen, wurde den „Kritischen“ insgesamt und ihrer Sprecherin im Besonderen gerichtlich ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 Mark angedroht.
Bianca Müller ist in der Berliner Polizei keine Unbekannte. Infolge eigener Erlebnisse ist sie zur Mobbing-Expertin geworden und betreut Fälle aus dem gesamten Bundesgebiet. Mit ihrem Polizeipräsidenten hat die streitbare Kriminalhauptkommissarin sich schon öfter vor Gericht getroffen. Doch diesmal hatte sie sich offenbar zu weit vorgewagt. Es fehlte an gerichtsfesten Beweisen für die Vorwürfe. Zwar gelang es Bianca Müller, in der betreffenden Direktion mehrere eidesstattliche Versicherungen zu sammeln, worin Kollegen ihre Erfahrungen auf der Dienststelle und ihrem Leiter schildern. Für die Berliner Polizei sind sie wenig schmeichelhaft. Als subjektive Wahrnehmungen war ihr Wert im Gerichtsstreit allerdings eher gering.
Die bisherigen Prozesse gingen verloren, die aufgelaufenen Kosten summieren sich bereits auf etwa 30.000 Mark. Geht der Streit in die Hauptverhandlung, steigen sie weiter. Um dies zu verhindern, bliebe nur die öffentliche Zurücknahme der Behauptungen. Dies käme einer Unterwerfung gleich und ist kaum zu erwarten. Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Vorwürfe rückt damit endgültig in den Hintergrund. Nun entscheidet die Brieftasche, und die ist bei den „Kritischen“ schmal. Zumal auch in einem anderen Streitfall mit der Berliner Gewerkschaft der Polizei eine teure Prozessniederlage sichtbar wird.
Einem zahlungsunfähigen Verein bleibt dann nur der Weg der Auflösung. Das drohende Fiasko ist indes nicht das einzige Problem der „Kritischen Polizisten“. Auch sonst kämpft der Verein mit Existenzproblemen. Hatte er in seinen besten Zeiten bundesweit rund 120 Mitglieder, so sind es heute noch knapp 70.
Der jahrelange Kampf für Veränderungen in der Polizei und die damit verbundenen Schwierigkeiten im Beruf haben viele zermürbt. Sie sind ausgetreten und Nachwuchs gibt es kaum. Sollte sich die „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten und Polizistinnen“ auf ihrer außerordentlichen Versammlung am 5. Mai selbst auflösen, stirbt damit die wichtigste kritische Stimme aus den Reihen der Polizei selbst. „Gesellschaftlich ist es heute eben nicht mehr opportun, die Polizei zu kritisieren. Eher wird bei jeder Gesetzesverschärfung Beifall geklatscht“, kommentiert Manfred Such vom Vorstand und Gründungsmitglied der „Kritischen“, das mögliche Aus seines Vereins.
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