Das neue Gewicht

Repolitisierung, Yo! Das Projekt „Brothers’ Keepers“ vereinigt die afrodeutschen Stars des hiesigen HipHop zum Bündnis – und zum gemeinsamen Song gegen Rassismus

Dieser Song will gehört werden. An gleicher Stelle, an der an Ostern das Politprojekt „Kanak Attak“ die Premiere seiner Consciousness-Revue feierte (siehe taz vom 17. 4.), präsentierte sich am Mittwoch nun „Brothers’ Keepers“ der Öffentlichkeit. „Ein afrodeutsches Gemeinschaftsprojekt“, so Initiator Adé bei der Pressekonferenz in der Berliner Volksbühne, das „ein Statement abgeben will gegen den Status quo in Deutschland.“

Dieser Status quo bestehe darin, dass von den mehr als 20 afrodeutschen, vornehmlich aus der HipHop-Szene stammenden Musikern „jeder bedroht ist“, wie Adé meint, momentan bei der Gruppe Bantu, früher bei Weep Not Child. Und sein Nebenmann Xavier Naidoo ergänzt, „dass wir alle das Opfer sein könnten. Das macht uns zur Posse.“

Diese Posse hat nun gemeinsam das Stück „Adriano (Letzte Warnung)“ produziert, das am 18. Juni als Single erscheinen wird. Der Song bezieht sich auf den Mord an Alberto Adriano und erscheint deshalb fast genau ein Jahr nachdem dieser von drei Rechtsradikalen in Dessau angegriffen wurde und drei Tage später an seinen Verletzungen starb. Die Erlöse der Single werden den Hinterbliebenen und anderen Opfern von Naziangriffen zugute kommen.

Darüber hinaus ist bereits das weibliche Gegenstück „Sisters’ Keepers“ in Planung, mit einer eigenen Single. Außerdem ein Verein, der Aufklärungsarbeit betreiben soll, eine Internetseite und schließlich ein ganzes Album. „Das soll nur ein Anfang sein“, meint der Schauspieler und Rapper Tyron Ricketts, „weil es jetzt nötig ist. Sonst müssen wir woandershin ziehen.“ Der erste Song des Projekts wendet sich vehement gegen die „Multikulti-Pfannkuchen-Idylle“ (Ebony Prince) und droht der „braunen Scheiße“ entschiedener als bislang entgegenzutreten: „Was wir reichen, sind geballte Fäuste und keine Hände“, singt Naidoo im Refrain. „Wir fallen dort ein, wo ihr auffallt“, heißt es, und: „Was wir hören werden, ist euer Weinen und euer Gewimmer.“

Die Motivationen für Brothers’ Keepers sind sehr unterschiedlich. Während Ricketts, als Ex-Viva-Moderator und Chef von Panthertainment, einer Agentur für afrodeutsche Models und Darsteller, die Aufgabe des Bündnisses vor allem darin sieht, „Aufmerksamkeit zu schaffen“ und dafür zu sorgen, dass die Problematik „ein Thema wird“, will der Frankfurter Dancehall-Toaster D-Flame „den Kindern von Adriano und anderen Kraft geben“. Für den Rapper Chima geht es „nicht um schwarz und weiß, sondern um privilegiert und unterprivilegiert, um Wohlstand und Perspektivlosigkeit“. Und Torch fand es einfach „lustig, mal nicht der Außenseiter zu sein“. Einig ist man sich, dass man „Antirassismus niemandem beibringen kann“, so G.E.R.M., ein HipHop-Aktivist der ersten Stunde, der bereits Anfang der 90er auf der Kompilation „Krauts With Attitude“, einer ähnlichen Initiative, vertreten war. Doch seitdem hat sich einiges geändert: Während „Krauts With Attitude“ damals kaum zur Kenntnis genommen wurde, steht hinter Brothers’ Keepers heute der Plattenmulti WEA. Und die Pressekonferenz fand nicht zuletzt deswegen beachtlichen Zulauf, weil prominente Namen wie Naidoo, Ricketts, Torch und Afrob auf dem Podium saßen. „Jetzt sind wir etablierter“, bestätigte Ebony Prince die neue kommerzielle Macht von DeutschHop, „wir haben mehr Gewicht.“

Dieses Gewicht will man nun nutzen. Nach ganz oben reicht der Einfluss von Brothers’ Keepers – trotz des aus der Bibel entlehnten Namens – allerdings noch nicht. Der Videodreh zu „Letzte Warnung“, unter der Regie von Dani Levy auf dem Berliner Alexanderplatz, wurde von heftigen, nächtlichen Regenfällen geplagt.

THOMAS WINKLER