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No Goats, no glory?

Solider Philadelphia-HipHop im Bandformat: „Incognegro“ im Knust  ■ Von Alexander Diehl

Zu Beginn der 90er Jahre machte eine HipHop-Formation mit einem bemerkenswerten (Debüt-)Konzeptalbum auf sich aufmerksam: Mit den Abenteuern der beiden cartoonartigen Charaktere Chicken Little und Hangerhead auf Tricks of the Shade (1992) erwarben sich The Goats vielerorts einen guten Ruf – insbesondere auch bei Leuten, die nicht unbedingt jede Hip-Hop-Neuerscheinung mitzubekommen pflegten. Wäre das Wort nicht ein wenig in Verruf geraten, ließe sich vielleicht von einem pub-likumsmäßigen Crossover-Effekt sprechen, den die Goats seinerzeit mit den Beastie Boys oder – mit Abstrichen – House of Pain gemeinsam hatten. Dass aus ihnen keine weiteren Festivalplakate anführenden Konsensstars wurden, mag an Verschiedenem gelegen haben; ein Schuft wohl, wer die vergleichsweise ausgeprägt zur Schau gestellte social consciousness der Goats dafür verantwortlich macht. Die Onlineplattform www.cdnow.com spricht bis heute von einer „leftist“ HipHop-Crew, deren vielleicht bekannteste Refrainzeile immerhin „I'm not your typical American“ lautete – hierzulande vorzugsweise zu Golfkriegszeiten mitskandiert in Diskotheken mit Independenttag.

Das ungleich größer budgetierte zweite Album No Goats, No Glory jedenfalls war ein Misserfolg, und überhaupt zeigt sich Frontrapper und -texter Blue Maxx alias MC Uh-Oh rückblickend nicht mehr allzu glücklich mit dem damaligen Bandentwurf: „Live haben wir mit Punk-Rock, Jazz und Thrash-Metal hantiert. Das hasse ich an den Goats. Jeder hat heutzutage diesen hybriden Metal/Rap-Sound. Cool für Limp Bizkit, aber nicht für Incognegro.“

Es ist aber kein stilistischer Purismus, der jetzt letztgenannte Goats-Nachfolger ausmacht. 1997 verließen Uh-Oh, Keyboarder Gungi Brain und DJ Smoove die strauchelnde Formation, und mit Schlagzeuger Chuck Treece (Ex-Bad Brains/-Urge Overkill) widmeten sie sich seither als Incognegro einer weitgehend im Bandformat eingespielten und aufgeführten Variante von HipHop. 1999 erschien das Debüt bei einem befreundeten Hardcore-Label zuhause in Philadelphia, und mit „Brand New Cadillac“ hat man gar eine feine Clash-Rekonstruktion im Repertoire.

Wenn Incognegro jetzt als immerhin siebenköpfiges Live-Outfit europäische Bühnen bereisen, wird das – natürlich – mit dem seinerzeitigen Schaffen der Goats zu tun haben, aber auch mit dem ungleich bekannteren, ähnlich funktionierenden Modell der Roots, die Uh-Oh dafür schätzt, das heimatliche Philadelphia nicht in Richtung einer der Küstenmetropolen des Genres verlassen zu haben. Und bei allen Authentizitätsverheißungen des Handgemachten dürfte es Incognegro gelingen, den von früher wohlbekannten Crossover-Fallen auszuweichen und eben keine Rockband zu werden, die sich mit ein paar Rapfedern schmückt.

mit Casino: heute, 21 Uhr, Knust

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