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Ost & West

Wann immer der ungarische Schriftsteller Istvan Eörsi auf einem Podium sitzt, ist ein gewisser Unterhaltungswert garantiert. Auch wenn das Thema „Wo leben wir eigentlich? Das Europa der Ossis und Wessis“, über das sich Eörsi mit dem serbischen Schriftsteller Bora Ćosić, der polnischen Publizistin Joanna Wiórkiewicz-Mieszko und dem deutschen Schriftsteller und Leiter des Goethe-Instituts in Krakau, Stephan Wackwitz, unter kompetenter Ägide von Christian Semler austauschte, alles andere als lustig war. Um es gleich vorwegzunehmen: Die große Kontroverse blieb aus. Vielmehr beklagten alle Teilnehmer einmütig die wachsende Enttäuschung über zehn Jahre Demokratisierung und das Unvermögen der jeweiligen Gesellschaften, mit den neuen sozialen Ungerechtigkeiten fertig zu werden. Da nützt auch die Kreativität, die Wackwitz bei der neuen Generation in Polen entdeckt haben will, wenig, da sie mangels beruflicher Perspektiven nicht weiß, wo sie hin soll. Die Serben haben noch ein zusätzliches Problem: Obwohl die Kriege auf dem Balkan beendet sind, leben die Menschen in Serbien, wie Ćosić es formulierte, „noch immer im Kriegszustand mit sich selbst“. Das Volk habe sich selbst okkupiert. Während sich Serbien gerade erst nach Europa aufmacht, stehen Ungarn und Polen schon direkt vor der Tür. Doch da wollen sich weder Eörsi noch Wiorkiewicz-Mieszko ausschließlich vom Westen die Kriterien zur Erteilung des Gütesiegels „Europa“ diktieren lassen. „Auch wir haben Werte, die bewahrt werden müssen“, bemerkte Eörsi. Gerade zu dieser Frage dürfte man in in naher Zukunft von allen TeilnehmerInnen noch einiges hören.

BARBARA OERTEL

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