Die Schnüffel-Stoffe der Liebe

■ Riechen ist Lust: Eine Bremer Kulturwissenschaftlerin erforscht den Zusammenhang zwischen Duft und Sex/Achsel-, Schweiß- und Intimgeruch sind die Komponenten, die Menschen zueinander ziehen

Manche klauen sich ein T-Shirt der Süßen, um ab und zu dran zu schnüffeln, andere suchen noch nach Jahren einen Partner, der wie der Ex riecht. Es lockt, es berauscht, setzt Menschen in Extase. Doch das Riechen rangiert bei den Sinnen nur unter ferner liefen. Das findet die Bremer Kulturwissenschaftlerin Ingelore Ebberfeld: „Riechen ist Lust. Der Geruchssinn ist der, der unseren Gefühlen am nächsten steht.“ Sie hat gerade ihr neues Buch über Erotik und Gerüche veröffentlicht: „Körperdüfte“, eine Studie, für die 100 Personen über ihre erotischen Erinnerungen mit der Nase Auskunft gaben.

Die Nase ist ein Underdog. Alle verlassen sich lieber auf die Augen. Dabei nahm schon die Stasi Geruchsproben von Regimegegnern und konservierte sie auf kleinen Tüchern in Einmachgläsern. Unser Geruch ist der Spiegel des Egos: Bei jeder Stimmung ändert er sich. Klar ist das möglich: Immerhin setzt sich der Körperduft des Menschen aus 100.000 Einzelgerüchen zusammen. Jeder Mensch, selbst jede Rasse riecht anders: So glauben die Japaner, wir Europäer stänken nach Butter, Koreaner riechen für uns nicht nach Schweiß. Und bittet man einen Parfumeur, einen Vaginalgeruch herzustellen, fragt der, ob es ein europäischer oder ein asiatischer sein soll. Frau Ebberfeld hat das schon gemacht.

Schweiß-, Achsel- und Intimgeruch – für die Nasenforscherin sind vor allem das die Komponenten, die die Liebe bestimmen. Frauen setzen sich, so hat die Wissenschaft bewiesen, vorrangig auf Stühle, auf denen vorher schon ein Mann hockte. Animalisch, aber so ist der Mensch gestrickt. Ebberfeld: „Die Pheromone, die Sexualhormone der Tiere, sind in Spuren auch in unseren Achseln nachgewiesen worden.“ Dabei gibt es weltweit fast niemanden, der auf diesem Gebiet forscht. Als die Bremerin Mitte der 90er Jahre in einer Untersuchung über russische Bäuerinnen las, dass sich die Ärzte beklagten, die Frauen würden nicht gut riechen, stutzte sie. Kann es sein, dass in verschiedenen Regionen Europas die Menschen eine verschiedene Beziehung zum Intimgeruch des jeweils anderen Geschlechts haben?

Als die Kollegen sie auslachten, stürzte sich Frau Ebberfeld erst recht in das neue Forschungsgebiet. Mit interessanten Erkenntnissen über die Botenstoffe der Liebe: Frauen stehen nämlich mehr auf Gerüche oberhalb, Männer mehr auf die Düfte unterhalb der Gürtellinie. Beide Geschlechter bevorzugen aber mehrheitlich eine Mischung aus Körpergeruch und Parfum, um sich einander näher zu kommen. Also: Nicht zu gewaschen, aber auch nicht zu viel Odeur original soll es sein.

Die Feldforschung auf olfaktorischem Gebiet ist schwer. Ebberfeld: „Es ist fast unmöglich, Menschen zu Duft und Erotik wissenschaftlich zu interviewen: Mit ihren Geruchs-Vorlieben verraten sie, wie sie sich waschen, welche Neigungen sie haben und welche sexuellen Praktiken sie bevorzugen. Wer lässt sich schon gerne fragen: ,Und was ist, wenn Ihr Mann abtaucht?'“

Deshalb hat sie sich von 100 Personen per Brief Riech-Erlebnisse aus der Horizontalen schildern lassen. Und klar: Die Nase mischt entscheidend mit bei Hoppeln, Vögeln, beim Koitus, bei Fleisch gegen Fleisch.

Eindrücke aus der erotischen Welt der Nase. Die Geschichte eines 25-Jährigen, dem seine Freundin zu Pubertätszeiten eine parfumierte Stoffmaus schenkte. „Ich bildete mir ein, der Geruch der Maus sei ihr Liebessaft, der mir vorenthalten bleiben sollte.“ Ein 22-Jähriger schreibt verklärt: „Ihr Geschlecht roch süß und betäubte, wie Nelken und Ambrosia. Ihre Achseln dienten als Ruheort, an dem ich bleiben wollte.“ Ein weiterer Proband erzählt: „Ich übergoss die Brüste meiner Partnerin mit Honig, den ich dann genussvoll aufschleckte. Deshalb erinnert mich der Geruch von Honig häufig daran.“ Eine 28-jährige Frau liebt sich am liebsten in den Dünen Amelands, weil sie der Geruch von Meerwasser stimuliert. Brachial einleuchtend: Männer werden heiß wie die Haubitzen und onanieren gern, auch wenn sie Stunden oder Tage nach dem GV den Geruch ihrer Partnerin an den Händen riechen. Aber Frauen wahrscheinlich auch.

Vom Geruchsterror unserer parfumierten Gesellschaft hat Frau Ebberfeld, 49 Jahre jung, selbst inzwischen genug. Körpergerüche werden bei Fremden oft als unangenehm empfunden. Die Vorstellung, jemand könnte unseren Achselschweiß wahrnehmen, lässt schaudern. Das ist Ingelore Ebberfeld egal: Sie verzichtet völlig auf Parfum und Deo. „Ich bin ein Opfer meiner Forschung geworden.“ Und noch was: Schon hat die Ebberfeld ein neues Buch geschrieben – alles, hoffentlich wirklich alles übers Küssen. ksc

Ingelore Ebberfeld: Körperdüfte, Erotische Erinnerungen, Ulrike Helmer Verlag, 29.80 Mark.