Der neue Mann auf dem Mond

Komiker Kurt Krömer wäre gern „so ’ne Art Aushängeschild der Stadt“. Sein ungewöhnlicher Humor erinnert an die stockenden Verlegenheitsgesten des frühen Andy Kaufman. Und auch Sat 1 zeigt schon Interesse an der Berliner Lustigkeit, die Außerirdische in Neuköllner Hinterhöfen landen lässt

„Ick erzähle keine Witze, ick bin der Witz“, sagt Kröner ohne viel Pathos

von JENNI ZYLKA

Auf dem Pressefoto sitzt ein junger Mann mit großkariertem Hemd auf einem furchtbaren Sofa mit Fake-Zebrafell-Überzug und grinst debil. In der Sonne vor dem Kreuzberger Café, in dem man sich verabredet hat, sitzt aber kein solcher Abturner. Da wartet, außer den üblichen sonnengebräunten Tätowierten, nur einer mit dunklen Locken und dunklen Augen, in Jeans und Jackett schüchtern am Tisch: Kurt Krömer sieht schon so aus wie sein Bühnen-Alter-Ego. Nur irgendwie besser.

„Wir hatten ja damals auch nichts“ heißt das erste Soloprogramm des Comedian, und diesen Satz muss man sich mit einer hohen, merkwürdigen Stimme ungelenk herausgepresst vorstellen, zusammen mit dem schlimmsten Icke-ditte-kenn-ick-weeß-ick-war-ick-schon-Akzent nördlich des Teltowkanals. Apropos: Einiges vom bebrillten Zebrafell steckt auch im echten Krömer. Allerdings das Gute, das Beobachtende, eine Mischung aus Schlauheit und Naivität – unprätentiös, aber komisch, wie Funny Bones eben sind.

Kurt Krömer, Jahrgang 1974, wurde im Wedding geboren, lebt und arbeitet in Berlin, wohnt alleine („Aber ick will eigentlich Frau und Kinder“) in Neukölln und will auf gar keinen Fall da weg, denn Neukölln inspiriert ihn: „Wenn ick auf die Straße gehe, kann ick gleich wieder ’n paar neue Nummern machen.“ Nummern wie die Story über die Außerirdischen, „die in meenen Hinterhof jelandet sind, wat soll ick ’n jetzt machen, die machen so ’n Dreck . . .“ Klassische Oneliner sind das nicht. Auch nicht die Rabbatznummern eines Ingo Appelt, oder der exkomische Selbstläuferhumor von Rüdiger Hoffmann. Nicht mal „Voll normaal“ fällt einem ein, obwohl auch der enervierende Tom Gerhard als beknackter Pudelmützenproll versucht, mit den Zutaten Dialekt plus Debilität Witze zu backen. Seine schmecken nur alle nach reiner Dämlichkeit.

Krömer dagegen, der seit acht Jahren auf Berliner Varietébühnen (Chameleon, Scheinbar) auftritt, hat sich eine Humornische im überfüllten, überbordenden, vollgewitzelten Comedy-Ressort geschaffen. Eine Nische für einen Humor, der aus dem Berliner Herzen kommt, also aus zwei Herzen: aus Krömers und aus dem der Stadt. Im Interview kann er sogar den abgelutschten Begriff „Herz und Schnauze“ benutzen, ohne dass man sich wünscht, dass er dieselbe hält. In einer seiner Nummern oder „Szenen“ steht Krömer – Brille, verklemmte Haltung, debiles Grinsen – auf der Bühne herum und erzählt von seinem Geburtstag und dass ihm bestimmt alle ganz viel schenken. Er macht die Augen zu, streckt die Hände aus und wartet auf die Geschenke. „Ihr könnt dit jetzt allet dahinlejen!“. Aber natürlich kommt nichts. Das ist eigentlich nicht komisch, sondern traurig. Tragikomisch. Das merken auch die ZuschauerInnen, und so kann man das Andy-Kaufmann-Phänomen beobachten: Es wird gelacht, während gleichzeitig die Augenbrauen mitleidig verzogen werden, er tut ihnen leid, der arme Tor. Er hat sie irgendwo außerhalb des Zwerchfells getroffen, in der Seele vielleicht. „Ick erzähle keine Witze, ick bin der Witz“, sagt er, ohne pathetisch zu klingen. „Ick erzähle, wat mir persönlich passiert ist. Ick muss mich nicht großartig verstellen: spätestens mit der Brille macht es klock!, jetzt biste Krömer“

Krömer steht auf Louis de Funès. Und auf Klaus Kinski: „Wat ick an dem jeliebt hab, ist dass er die Sachen durchlebt hat, die er erzählt. Ick bin ein Theaterkomiker, ick will die Leute kriegen, richtige lange Szenen spielen, nicht nur so kurze Nummern.“ Krömer, mit dieser Mischung aus kindlicher Verwunderung und Berliner Städterschläue, hat auch viele der Szenen durchlebt, die er erzählt: „Ick setze mich ins Café und denke nach“, so beschreibt er seine Ideenfindungsmühen. Das mit den Außerirdischen hat er natürlich nicht wirklich erlebt, aber zum Beispiel könnte eine wunderbare Kurt-Krömer-Nummer daraus werden, was ihm neulich mit seinem Vater passiert ist, der Tischler ist und übrigens auch in Neukölln, nur ein paar Straßen weiter wohnt: „Meen Vater ruft mich denn plötzlich an und will mir Storys aufdrücken: ,Du kommst als Elvis auffe Bühne, mit Gitarre und so, und fängst an zu singen. Dann fällste hin.‘ Da sag ick denn: ‚Ja, Papa, aber da fehlen mir die letzten acht Minuten noch . . .‘“ Das ist eine typische Krömer-Geschichte, die ihm einfach passiert ist. So alltäglich wie grundkomisch und sehr, sehr berlinerisch. „Ick würde mich freuen“, sagt Krömer, der im Café natürlich ein Berliner Pils trinkt, „wenn ick so ’ne Art Aushängeschild der Stadt wäre.“

Das große, immer noch Golddukaten scheißende Comedy-Business hat ihn schon entdeckt, Sat.1 verhandelt, auch andere TV-Angebote kommen rein. Darüber freut er sich. Weil er sich davon ausverkaufte Auftritte erhofft: „Diese Popularität, die man dann hätte, die würd ick eher so mitnehmen. Wenn du Künstler bist, dann biste halt ’ne öffentliche Person, dann kannst nicht eenfach irjendwo rumsitzen und popeln, weil alle sagen: kiek mal, der Krömer . . .“ Krömer, genau wie der Comic-Comedian Phil, den er, so von Balina zu Balina, natürlich sehr bewundert, würde sich nicht verkaufen, anderer Leute Witze spielen, oder für andere schreiben („Dit kann ick jar nicht!“). Sagt er. Man möchte es ihm nur zu gerne glauben.

Kurt Krömer am 5., 11. und 12., 20 Uhr, in der UFA-Fabrik, Viktoriastr. 10–18