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Jungslieder mit Genuss

■ Wie sich Elvis in ein junges Mädchenherz nuschelte: Maren Kroymann singt jetzt die Lieblingslieder ihrer Jugend

Die „Nachtschwester“ Maren Kroymann hat sich ein neues Chansonprogramm verabreicht: Sie singt jetzt die Lieblingsschlager ihrer Jugend. Vor ihrer Konzertserie in Bremen verriet sie im taz -Interview, warum der junge Elvis auch heute noch erotisch ist.

taz: Frau Kroymann, kann man dieses Programm, in dem Sie „gebrauchte Lieder“ von so unterschiedlichen Stars der 50er und 60er wie Elvis, Hank Williams, Dusty Springfield und Udo Jürgens interpretieren, Ihre gesungene Autobiografie nennen?

Maren Kroymann: Ja, so ist es gemeint! Ich knüpfe damit direkt an das Programm „Auf Du und Du mit dem Stöckelschuh“ an, das vor 15 Jahren sowas wie der Einstieg zu meiner Karriere war. Da habe ich meine Lebensgeschichte anhand der Schlager unter dem Gesichtspunkt „Frauenbild“ erzählt. Ich liebe einfach diese Musik von damals. Ich wurde geprägt von Elvis und Country und frühem Rock'n'Roll, und nun habe ich mir den Herzenswunsch erfüllt, das mal zu singen.

Mir ist aufgefallen, dass Sie hier viel mehr Männer- als Frauentitel singen. Kann man sagen, dass Sie die in ihrem ersten Programm „abgehandelt“ haben?

Anhand der von Frauen gesungenen Schlager konnte man die Geschichte der Frauen in diesem Land so gut erzählen, und in diesem Programm gehe ich mehr von meinen Lieblingliedern aus. Aber ich erzähle damit natürlich auch etwas, und zwar jetzt mehr über das Männerbild. Da singe ich mit großem Genuss diese „Jungslieder“. Das waren damals andere Männer, als ich kannte, und deshalb fand ich die auch so großartig: weicher, auch weiblicher und so unverhohlen erotisch, auch wenn ich das Wort als kleines Mädchen noch gar nicht kannte. Das hatte was Prickelndes, auch tendenziell Verbotenes. Den frühen Elvis finde ich ja auch jetzt noch großartig, da kriege ich heute noch 'ne Gänsehaut, wenn ich das höre.

Mir ist aufgefallen, dass Sie kaum parodistisch singen.

Das parodistische Vorführen fände ich viel zu billig. Ich will nicht denunzieren und zeigen, wie doof die Lieder sind. Das entspricht ja auch gar nicht dem, was ich denke – ich finde, dass das großartige Lieder sind. Und ich will ja zeigen, was in diesen Liedern steckte, was mich berührt und geprägt hat. Ich will gleichzeitig ausdrücken, was sie mir heute bedeuten. Daraus ergibt sich dann eine Reflexion über Schlager, die ja sonst kaum gemacht wird, denn das Triviale ist es ja nicht wert, dass wir es analysieren. Reflexionen stecken bei mir einerseits in den Zwischentexten, und dann versuche ich, jeweils den Gestus der Interpreten zu kriegen, wobei der Bruch natürlich deutlicher bei den „Jungsliedern“ wird. Da kommt noch die Brechung durch das andere Geschlecht dazu, da wird das Vorführen klarer.

Der Titel Ihres Programms hat einen schönen Doppelsinn. „Gebrauchte Lieder“ sind ja einerseits schon abgenutzte „second-hand-songs“, aber auch die Lieder, die Sie einst nötig gebraucht haben.

Genau! Das sind wirklich die Lieder, die mir beim Aufwachsen geholfen haben. Und für mein Programm habe ich auch die Phasen genommen, in denen die Pop-Musik besonders wichtig für mich war. Elvis hat bei mir viel gestillt, und dann die Dusty Springfield. Der Anfang und das Ende der 60er waren für mich die Epochen, in denen diese Musik Lebenshilfe bot, wo ich unter der Bettdecke mit dem Kofferradio Radio Luxemburg gehört habe. Wie das ist, verliebt zu sein, habe ich durch die Schlager erfahren. Später habe ich die Schlager mit Distanz als Musik rezipiert, aber damals hat es mich durchdrungen. Ich lege auch Wert darauf, dass ich mir meine kindliche Sicht, die völlig subjektiv ist, bewahre, die sich gar nicht deckt mit einer Popmusik-Geschichtsschreibung.

Nun bemühen Sie sich ja auch, die Lieder jeweils in einem verstehbaren Englisch zu singen. Aber der Witz war doch, dass wir die Texte damals gar nicht verstanden haben. Und es gab diese schönen Missverständnisse. Ich bin zum Beispiel trotz besseren Wissens tief in meinem Herzen immer noch davon überzeugt, dass die Walker Brothers in „The sun ain't gonna shine anymore“ vom „Dickschädel-Blues“ gesungen haben.

So habe ich im „Jailhouse-Rock“ immer „Sexabomb“ verstanden, obwohl Elvis nur „Saxophon“ gesungen hat. Für mich war ja besonders erotisch an Elvis, dass er so genuschelt hat. Bei „Treat me nice“ hat er so schlampig artikuliert. Da habe ich vom ganzen Lied nur nuschel, nuschel, dann wieder „Kiss me once“ und dann nuschel, nuschel verstanden. Da konnte ich mir vorstellen, was ich wollte, und das war definitiv erotisch.

Fragen: Wilfried Hippen

Maren Kroymann in Begleitung von Jo Roloff & Band: heute, Donnerstag, bis Sonnabend um 20 Uhr im Moments

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