Zum Monster gefrieren

■ 9. Junge-Hunde-Festival auf Kampnagel mit 13 Produktionen

Natürlich ist es interessant, das Kreisen um Befindlichkeiten. Und sicher ist es anregend, tagein, jahraus – schon die ganzen 90er lang– medial erschaffene Bilder mit denen im eigenen Inneren zu vergleichen. Aber letztlich – auch die künftige Kampnagel-Leiterin Gordana Vnuk moniert es – gleitet solch Gebaren leicht ins Egozent-risch-Hysterische ab, mit immmer hermetischeren Resultaten.

Etliche derer, die Produktionen für das diesjährige Junge-Hunde-Festival auf Kampnagel (31. 5. – 23. 6.) liefern, sehen dies ähnlich und räumen mit dem Ernst auf, der hinter manch diffizilst arrangierter intermedialer Konstruktion stand: Mit slapstickreifen Selbstinszenierungen heischen drei Männer in Limbus Patrum des belgischen Tanztrios Latrinité um Aufmerksamkeit. Wenig ernst gibt sich auch die dänische Tanzperformance Bidt in space, die Gott und menschliches Schuhwerk im selben Atemzug diskutiert. Ausgeliefert wird das Publikum auch den verzerrten Innenwelten eines Serienmörders in mindhunter von TMT Jones, das sich an Joyce Carol Oates' Roman Zombie orientiert: Rücksichtslos neu gedeutet werden hier Gesten und Zeichen und in ihrer Verbindlichkeit infrage gestellt.

Und doch reichen all diese Reflexionen, so scheint es, kaum an die spielerische Leichtigkeit heran, mit der der französische Solotänzer Antoine Effroy Freunde – Profis und Laien – bat, für Heute ist mein Geburtstag kurze Choreographien zu schreiben: Ein Curriculum Vitae soll so beginnen, das Effroy in anderen Städten fortsetzen will. Das unausgesprochene Ziel: ein subtiler, fast schadenfroher Boykott der sorgsam gehüteten Grenze zwischen Hoch- und Subkultur.

Mehrfach gebrochene Realitäten schafft die Komponistin Stefanie Ressin mit Schön Haut Monster: Monsterphantasien entstünden aus der Angst vorm eigenen körperlichen Verfall und vorm Altern, behauptet sie – und lässt konsequent zwei SeniorInnen als ModeratorInnen auftreten. Unter dem Blick des anderen zum Monster zu mutieren – dieser Gefahr setzen sich auch die KünstlerInnen aus, die sich in Katharina Oberliks Installation Show-Room in Vitrinen präsentieren; die museale Wahrnehmung des menschlichen Körpers wolle sie so ermöglichen, sagt Oberlik dazu.

Weitab aller Musealität werden jene im Finale präsentierten „Abschiedsgeschenke“ rangieren, um die der scheidende Intendant Res Bosshart alle Junge-Hunde-TeilnehmerInnen seit 1995 bat: Fünf-Minuten-Spots werden einen Funken dessen aufscheinen lassen, was die KünstlerInnen als inspirierend empfanden. Und die Zukunft der Jungen Hunde? „Wahrscheinlich wird das nächste Festival 2003 nicht in Hamburg stattfinden“, orakelt Bossart. Petra Schellen