: Beschränkte Party
Markus Babbel und Dietmar Hamann spielen mit Liverpool deutsch – und gewinnen den FA-Cup
CARDIFF taz ■ Die Fußballer von Arsenal London eilten aus dem Millennium-Stadion von Cardiff, Mittelfeldspieler Freddy Ljungberg noch barfuß in schwarzen Badelatschen, die nur farblich zum Rest seiner Kleidung, dem festlichen Frack, passten. Sieger gehen langsamer. Es vergingen gut 30 Minuten, ehe der erste von ihnen aus der Umkleidekabine schaute, kurz darauf kam auch Michael Owen den Gang herunter, dessen zwei späte Tore dem FC Liverpool einen schon nicht mehr erwarteten 2:1-Sieg über Arsenal im englischen Pokalfinale gebracht hatten. Nur von Liverpools deutschen Spielern, Markus Babbel und Dietmar Hamann, war nichts zu sehen. Der Schlusspfiff lag schon fast zwei Stunden zurück, als sie sich dann doch noch zum Mannschaftsbus aufmachten. Was hatten sie bloß so lange in der Umkleide gemacht? „Geduscht“, sagte Hamann. „Die Engländer wissen doch nicht zu feiern, mussten alles wir machen“, sagte Babbel.
Tatsächlich sollte dies der vermutlich erste und einzige FA-Cup-Gewinn werden, an dem die Sieger nicht viel zu feiern hatten. „Die Party wird so beschränkt, dass sie praktisch nicht stattfindet“, kündigte Trainer Gerard Houllier an. Der FC Liverpool, Europas erfolgreichster Verein der 80er- und gedemütigter Klub der 90er-Jahre, hatte gerade seinen größten Erfolg seit einem Jahrzehnt errungen. Doch ein angemessen exzessives Fest konnten sie sich nicht leisten. Denn das Endspiel war für Liverpool nur der Auftakt einer finalen Saisonwoche. Am Mittwoch treffen sie in Dortmund im Uefa-Cup-Endspiel auf Alavés, am Samstag können sie sich mit einem Sieg in Charlton am letzten Spieltag der englischen Meisterschaft Platz drei und somit die Qualifikation zur Champions League sichern. Vor drei Monaten gewannen sie den englischen Ligapokal, „drei Cups in einem Jahr hat noch nie jemand geholt“, hat sich Babbel sagen lassen, auch ansonsten war er sporthistorisch bestens vorbereitet: „Bert Trautmann, 1956, mit gebrochenem Genick“ war bislang der einzige deutsche FA-Cup-Sieger.
Diesmal, fand Babbel, war eigentlich die ganze Siegerelf deutsch. „Die deutsche Mentalität“ entdeckte Babbel in seinem Team, in der Fußballsprache ist das ein feststehender Begriff. Mentalität, deutsche: wenn ein Team mit schierer Willenskraft einen besseren Gegner niederringt. Die Tore von Owen in der 83. und 88. Minute, das erste per Kopfball von Babbel vorbereitet, fielen, nachdem Liverpool 80 Minuten lang an Mangelerscheinungen litt. Die Pässe wurden viel zu oft rückwärts gespielt, es war kaum Bewegung im Spiel, Arsenals 1:0 durch Ljungberg (72.) erschien zwangsläufig. Dass Houllier drei Mittelfeldspieler auswechselte, unter anderem Hamann, sagte genug über die Probleme in der Zentrale.
Für Arsenal, das in der Champions League im Viertelfinale scheiterte und die englische Meisterschaft im dritten Jahr in Folge als Zweiter beenden wird, war es zum wiederholten Mal ein Beinaheerfolg. „Wir dominieren Spiele, aber wir gewinnen sie nicht“, sagte Trainer Arsène Wenger. Falls sie im nächsten Jahr nicht Meister würden, sei er enttäuscht, fügte er an – aber er meinte Liverpool.
„Der will uns unter Druck setzen!“, rief Houllier erstaunt. Liverpools Trainer und seine Spieler lassen keine Gelegenheit aus, trotz der Erfolge auf ihre Mängel hinzuweisen, was sie so sympathisch macht. „So eine Souveränität wie Manchester haben wir noch nicht“, sagte Babbel. Was es denn noch brauche, um aus dieser guten eine überragende Elf zu machen? „Zeit“, sagte Houllier. RONALD RENG
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen