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nachruf auf einen kellner

von ARNO FRANK

Von der taz kann man ja halten, was man will – die blasierte Überheblichkeit ihrer Mitarbeiter aber ist sprichwörtlich. Zwar steht ihr hohes Ross auf wackeligen Beinen, doch machen die elysischen Zustände in der Redaktion diesen Umstand leicht vergessen. Die „Tazzler“, wie sie sich selbst schulterklopfend gern nennen, haben täglich den Kopf in den Wolken – und stehen mit beiden Beinen fest in Spaghetti mit Tomatensoße. Jeden Mittag in einem angeschlossenen Spitzenlokal von Weltruf, das die Tazzler als Kantine nutzen dürfen.

Täglich kann von 11 bis 15 Uhr getafelt werden, und täglich werden die Damen und Herren Redakteure dort auf ein normales Maß zurechtgestutzt. Höflich formuliert. Unhöflich formuliert: Das ungeliebte Fressvieh wird von geschulten Kellnern abgefertigt, gedemütigt, gebrochen. Den luftigen Lichthof dürfen diese Zeitungsgestalten gar nicht erst betreten – der bleibt gastronomischen Größen wie Wolfram Siebeck, Helmut Kohl oder Marcel Reich-Ranicki vorbehalten. Wäre ja noch schöner. Wer es nach Feierabend dennoch versucht, wird prompt seiner Rechte belehrt: „Sie bleiben nicht lange, okay?“

Eine konsequente Preispolitik hat zudem den züchtigenden Vorteil, dass sich Tazzler die regulären Leckereien gar nicht erst leisten können. Dafür ist den hungrigen Schreibern eine fotokopierte DIN-A4-Speisekarte auf ihre abgeschiedenen Strafbänke gelegt. Dort haben sie die Wahl zwischen einer handwarmen Suppe unbekannter, aber immer grünlicher Provenienz, Nudeln mit Tomatensoße oder Fisch. Mit sämiger Tunke und anderthalb Salzkartoffeln. Ab und zu gibt’s auch Nudeln mit Tomatensoße oder Fisch. Und grüne Suppe. Wen Magenknurren plagt, der kann ja Nudeln bestellen.

Das Tüpfelchen auf dem i von „igitt“ aber ist das stählerne Selbstverständnis der Bedienenden – meist Italiener mit glänzenden Sprachkenntnissen, die immer dann ins Rudimentäre regredieren, wenn Tazzler Extrawünsche anmelden. Pammesan? Aschebäscha? Das Kunde ist hier nicht König – sondern Köter, der auf die kostbaren Kacheln kackt. So soll es sein, das tut der Journaille mal ganz gut.

Dann aber kam „der Holländer“. Und alles, alles wurde anders. Dieser junge, etwas linkisch wirkende Mann muss aufgrund eines entsetzlichen Missverständnisses eingestellt worden sein und brachte die Verhältnisse kurzfristig zum Tanzen. Er war freundlich. Zuvorkommend. Ehrlich. In den Lichthof? Aber selbst-ver-ständ-lich. Bestellungen nahm er nicht nur entgegen, sondern gab sie auch an die Küche weiter. Und wenn der Fisch kam, dann servierte ihn der gastfreundliche Niederländer, ohne die brackige Brühe lässig über Boden, Tisch und Stühle zu verschütten. Außerstande, Tazzler von richtigen Gästen zu unterscheiden, war dem Armen selbstverständlich keine steile Karriere beschieden. Es gibt gewisse Spielregeln, und an die muss man sich halten. Drei Wochen arbeitete dieser Albert Schweitzer der Gastronomie, diese Mutter Teresa der Gastlichkeit in der taz-Kantine. Jetzt ist er weg. Endlich.

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