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Castor vor Ofenrohr

Mehrere Blockaden verzögern Atommüll-Transporte aus Brunsbüttel und Stade quer durch Hamburg  ■ Von Kai von Appen und Sven-Michael Veit

Beifall auf dem Harburger Herbert-Wehner-Platz um 1.47 Uhr in der Nacht zu Dienstag: „Der Castor aus Stade steht“, lautet die Nachricht, welche die verbliebenen 150 AtomkraftgegnerInnen entzückt. Zum zweiten Mal – nach der spektakulären Ankettaktion Ende März beim Gorleben-Transport – haben es zwei Umweltschützer von Robin Wood geschafft, einen Castor-Transport zu stoppen.

In der Innenstadt von Stade liegen derweil Philipp Horstmann und Jochen Knobloch vor dem mit Atommüll beladenen Zug auf den Gleisen. Sie sind fest miteinander verkettet durch ein Ofenrohr, das unter der Schiene durchgeschoben ist. Über ihnen kreist ein Hubschrauber, um sie herum stehen RettungssanitäterInnen sowie an die hundert Beamte von Polizisten und Bundesgrenzschutz.

Rund 70 Minuten lang halten die beiden Aktivisten von Robin Wood den Castorzug auf. Solange dauert es, das Gleis zu durchtrennen und die beiden Atomkraftgegner zu befreien. Die provisorisch reparierte Stelle kann der Zug dann mit nur 5 Stundenkilometern passieren. Den Rangierbahnhof Maschen erreicht er schließlich um 3.40 Uhr. Dort wartet bereits der zweite Transport aus dem Atommeiler Brunsbüttel.

Auch an anderen Orten versuchen Demonstranten, durch Blo-ckaden die Transporte von insgesamt 40 abgebrannten Brennelementen in die Wiederaufbereitungsanlage im französischen La Hague zu verzögern. Sechs AtomkraftgegnerInnen sind es in Wilster, 20 in Neugraben, 60 in Lüneburg – immer wieder müssen Einsatzkräfte anrücken, um Demonstranten von den Gleisen zu holen. Etwa drei Dutzend AktivistInnen werden vorübergehend in Gewahrsam genommen, darunter auch die beiden Robin Woods aus Stade.

Der Atommüllzug aus Brunsbüttel startet gegen 23.15 Uhr und kann nahezu unbehelligt über die Güterumgehungsbahn quer durch Hamburg rollen. Mit hoher Geschwindigkeit donnert er durch den Harburger Bahnhof und erreicht gegen 2 Uhr Maschen. Nach der verspäteten Zusammenkoppelung mit dem Transport aus dem AKW Stade geht es um kurz vor 5 Uhr weiter in Richtung Frankreich.

In Harburg demonstrieren seit Montagnachmittag etwa 500 AtomkraftgegnerInnen gegen die Transporte. Sie kritisieren vor allem, dass die Züge durch dicht besiedeltes Stadtgebiet führen. Der Regenbogen-Abgeordnete Lutz Jobs hält die bis Dienstagmorgen dauernde Aktion für einen „großen Erfolg“. Die bereits angekündigten weiteren Transporte vor allem aus Stade würden nicht unbemerkt durchgeführt werden können: „Wir kommen wieder.“

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