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Akte Gongadse vom Tisch

Der ukrainische Innenminister präsentiert die Mörder des bekannten Journalisten. Zwei Kriminelle sollen ihn umgebracht haben. Doch auch sie wurden ermordet

BERLIN taz ■ Der ukrainische Präsident Leonid Kutschma dürfte aufatmen. Der Mord an dem regimekritischen Journalisten Georgi Gongadse, in den Kutschma verwickelt sein soll, ist aufgeklärt. Das behauptet zumindest der Minister für Inneres, Juri Smirnow. Seiner Version nach, die er am Dienstagabend zum Besten gab, sollen zwei Männer Gongadse getötet haben, die Verbindungen zu einer kriminellen Bande gehabt hätten. „Das Verbrechen war spontan und hatte keinen politischen Hintergrund“, sagte Smirnow.

Jedoch seien die Mörder selbst ermordet worden. Über die Mörder der Mörder, die mittlerweile in Haft sind, wollte Smirnow mit keinen weiteren Details aufwarten. Er erwähne in diesem Zusammenhang jedoch einen bekannten Kriminellen aus der Unterwelt mit dem Spitznamen Cyclops, der an dem Verbrechen beeiligt gewesen sein soll.

Der Journalist Georgi Gongadse, der sich durch Artikel über Korruption der Machtelite in der Internetzeitung Ukrainska Prawda hervorgetan hatte, war im vergangenen September verschwunden. Zwei Monate später war bei Kiew eine Leiche ohne Kopf gefunden worden. Mehrere DNS-Analysen – zuletzt von einem US-Institut – haben bestätigt, dass es sich bei dem Torso um Gongadse handelt.

Gleichzeitig waren im vergangenen November heimliche Tonbandmitschnitte aus dem Arbeitszimmer des Präsidenten öffentlich gemacht worden, die angeblich eine Beteiligung Kutschmas an dem Fall belegen. Der Kassettenskandal, auch „Kutscha-Gate“ genannt, hatte in der Folgezeit Massenproteste ausgelöst und die Ukraine in die größte politische Krise seit ihrer Unabhängigkeit 1991 gestürzt.

Die Präsentation der Gongadse-Killer zu diesem Zeitpunkt ist kein Zufall. Schließlich ist die Staatsmacht seit einiger Zeit bemüht, die leidige Affäre ein für alle Mal zu beerdigen. Bereits vor ein paar Tagen hatte Kutschma verkündet, dass der Mord an Gongadse nicht politisch motiviert gewesen sein könne. Dazu sei der Journalist eine zu wenig bekannte Person gewesen.

Sergej Kiseljow, politischer Kommentator bei der Tageszeitung Kiewskie Wedomosti hat denn auch so seine Zweifel am Statement des Innenministers. Das Killerszenario sei alt, solche Gerüchte kursierten schon lange. Damit sollte die Öffentlichkeit auf das jetzige Ergebnis vorbereitet werden. Das Establishment könne jetzt zwar einen Pluspunkt verbuchen. „Jedoch“, sagt Kiseljow, „der Kasseten-Skandal ist damit nicht vom Tisch.“ BARBARA OERTEL

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