Wer Geld hat, ist deutsch

Fast zwei Drittel aller Ausländer in Berlin leben in Armut oder armutsähnlichen Verhältnissen, heißt es in einer Studie. Unterschiede zwischen West und Ost und den Bezirken haben abgenommen

von UWE RADA

Ausländer sind in Berlin überdurchschnittlich von Armut betroffen. Mehr als ein Viertel aller Ausländer in Berlin lebt unterhalb der Armutsgrenze, ein weiteres Drittel in armutsähnlichen Verhältnissen. Unter der deutschen Wohnbevölkerung gelten dagegen sieben Prozent als arm. Das ist das Ergebnis eines Einkommens- und Armutsberichts, den das Stadtforschungsinstitut Topos gestern vorgestellt hat.

Insgesamt leben der Studie zufolge 300.000 Berliner in Armut, unter ihnen 75.000 Kinder. Während die durchschnittliche Armutsquote bei neun Prozent liegt, liegt sie bei den Berlinern nichtdeutscher Herkunft bei 27,5 Prozent. Besonders betroffen sind die Kinder aus Ausländerfamilien: „37 Prozent leben in Armut, weitere 41 Prozent im armutsnahen, prekären Einkommensverhältnissen“, heißt es in der Studie. Über dem Einkommensschnitt liegen dagegen nur sieben Prozent der Ausländerkinder.

Grundlage des Berichtes sind die Einkommensverhältnisse in Berlin. Aus der Datenbasis des Mikrozensus haben die Topos-Mitarbeiter ein so genanntes Äquivalenzeinkommen für das Jahr 1999 errechnet. Dies unterscheidet sich von anderen Berechnungsgrundlagen wie dem Pro-Kopf-Einkommen oder dem Haushaltseinkommen dadurch, dass es verdienende Familienmitglieder höher bewertet als Nichtverdienende oder Kinder. Damit, so Topos-Geschäftsführer Sigmar Gude, bekommt man eine genaueres Äquivalent zwischen den verschiedenen Haushaltstypen.

Schenkt man der Topos-Studie Glauben, ist in Berlin die Ausländerarmut weitaus gravierender als die Einkommensunterschiede zwischen dem Ostteil und dem Westteil der Stadt. So betrage der Einkommensabstand zwischen Ost- und Westberlin nur noch 6 Prozent. Nahezu angeglichen sind die Einkommen zwischen Ost und West bei Haushalten mit Kindern. Bei Alleinerziehenden liegen sie im Osten mit bei 72 Prozent des Durchschnittseinkommens, im Westen bei 75 Prozent. Paare mit einem oder mehreren Kindern verfügen im Osten sogar über mehr Geld als im Westteil der Stadt. Nur Reiche sucht man im Osten weiter mit der Lupe. Von rund 100.000 reichen Haushalten gibt es nur 16.000 im Osten.

Überraschendes brachte die Studie auch in der Rangfolge der verschiedenen Bezirke zutage. Schlusslicht ist nicht etwa Friedrichshain-Kreuzberg, sondern der neue Regierungsbezirk Mitte. Geschuldet ist dies sowohl einem Abwärtstrend in Wedding sowie einer Stagnation der Einkommen in Mitte. Vor Mitte liegen Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg-Hohenschönhausen und Marzahn-Hellersdorf.

Auch an der Spitze im Bezirksranking gab es eine Überraschung. Mit 119 Prozent lag nicht Steglitz-Zehlendorf (118 Prozent) vorne, sondern Charlottenburg-Wilmersdorf. Auf den weiteren Plätzen liegen Tempelhof-Schöneberg und Reinickendorf. Der einkommensstärkste Ostbezirk ist Treptow-Köpenick. Gudes Schlussfolgerung: „Von einer Segregation kann nicht gesprochen werden.“

Als Gewinner unter den Ostbezirken nannte Gude Weißensee sowie Prenzlauer Berg und Friedrichshain. „Ganz im Gegensatz zu Häußermann-Studie“, so Gude, „kann man in Ostberlin deshalb nicht von einer Verarmung und von Problemgebieten sprechen“. In der Studie des Stadtsoziologen Hartmut Häußermann war für Ostberliner Großsiedlungen und Innenstadtbezirke eine ähnliche Entwicklung vorhergesagt worden wie für vergleichbare Quartiere im Westen. Diese Studie bildete zudem die Grundlage für die Ausweisung von Quartiersmanagement-Gebieten in Ost- und Westberlin.