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Buschzulage für Neubremer

■ Mit Care-Paketen und Umzugshilfen soll eine „Neubürger-Agentur“ die Stadt vor dem Schrumpfen bewahren / Bis zum Jahr 2015 drohen rund 70.000 Einwohner Bremen zu verlassen

Magdeburg erlässt seinen Studenten die Uni-Gebühren, Sulzbach im Taunus bietet Neubürgern online den Download von Anmeldungsformularen an. Jetzt soll auch Bremen aufwachen: In trauter Zweisamkeit stellten gestern die Fraktionschefs von SPD und CDU, Jens Böhrnsen und Jens Eckhoff, ihren Plan zur Gründung einer „Neubürger-Agentur“ vor.

Hintergrund: Bremen blutet aus. In den 60er Jahren glaubten die Planer noch, die Stadt werde mittelfristig 800.000 Einwohner haben. Daraus wird nichts: Bis 2015 soll die Einwohnerzahl von derzeit 666.000 um weitere 70.000 sinken. „Besonders die ostdeutschen Länder und die Stadtstaaten“ werden Einwohner verlieren, schreibt das Bremer Statistische Landesamt in seiner Bevölkerungsprognose. Teuer für das Staatssäckel: Mit jedem Einwohner verliert das Land nach Länderfinanzausgleich 6.500 Mark und das jedes Jahr. Allein 1999 verlor Bremen 4.000 Einwohner, macht um die 26 Millionen Mark. Überall in Deutschland nimmt die Anzahl der „jüngeren“ Menschen ab, in den Städten wird sich dieser Effekt besonders bemerkbar machen, weil es junge Familien ins Umland zieht.

„Neue Bürger braucht das Land. Wir können nicht tatenlos zusehen, wie in Bremen und Bremerhaven Arbeitsplätze geschaffen werden, die Menschen aber ihren Wohnsitz im Umland nehmen“, verkündeten die Fraktionschefs.

In einer „public-private Partnership“, an der Bremen zu vielleicht 25 Prozent beteiligt ist, könnte das neue Unternehmen gebündelt werden, meinte Böhrnsen. Eckhoff: „Mit einer 50.000 Marks-GmbH wird man da nicht hinkommen.“ Die Bürgerschaft soll den Senat auffordern, tätig zu werden.

In den nächsten zwei Jahren kämen 700 Fluglotsen von Berlin nach Bremen, erklärte Eckhoff. Geschäftsführer und Mitarbeiter der „Neubürgeragentur“ könnten sich frühzeitig an die Lotsen wenden und Wohnungen, Schulen und Kindergärten vermitteln. Auch für die Internationale Universität (IUB) würden demnächst 120 Studenten plus Mitarbeiter in der Stadt erwartet. Noch vor der Ankunft in der Stadt müsse, so Böhrnsen, „signalisiert werden, dass die Leute in Bremen ihren Wohnsitz nehmen. Der erste Behördenkontakt darf nicht der mit dem Einwohnermeldeamt sein.“

Überlegt werde auch, den Neubremern einfach die Anschlussgebühren für Strom oder Wasser zu erlassen, meinte Eckhoff: „Sie sollen das Gefühl haben: Da kümmert sich jemand um mich.“ Erstsemester ließen sich mit dem Erlass von Semesterbeiträgen ködern oder mit „Willkommenspaketen von Markenartikeln aus der Stadt“. Eckhoff: „Nach Länderfinanzausgleich bringen Firmenbosse genauso viel wie Erstsemester-Studenten.“ Begrüßungs-Prämien für Neu-Bremer lehnt er hingegen ab: „Je mehr man zahlt, desto mehr Missbrauch ist möglich. Zehn Pfund Kaffee im Care-Packet halte ich für geeigneter als 5.000 Mark cash.“

Kammern, Wohnungsbaugesellschaften und Tageszeitungen sollen helfen, viele Ämter werden sich einer Charme-Offensive unterziehen müssen, betonte Eckhoff: „Es ist ein Unding, dass hochbezahlte Manager aus dem Ausland stundenlang in der Ausländerbehörde zubringen müssen.“

Auch überregional soll für Bremen mehr Werbung gemacht werden. Außerdem soll auf der Internetseite der Stadt (www.bremen.de) eine Rubrik „Neubürger“ eingerichtet werden, aus der alle Informationen abrufbar sind.

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