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Das Mittelmaß trumpft auf

Nach einer langen und strapaziösen Saison mobilisiert der VfL Bad Schwartau seine letzten Kräfte und gewinnt das Finale um den DHB-Pokal überraschend mit 26:22 gegen die HSG Wetzlar

aus Hamburg ANKE BARNKOTHE

Ähnlich kurios wie die Handball-Bundesligasaison, die der SC Magdeburg erst am letzten Spieltag für sich entscheiden konnte, fand nun auch der DHB-Pokal sein Ende. Und schon die Liste der für die Finals qualifizierten Teams deuteten hin auf die viel zitierten eigenen Gesetze, die dem Event angeblich innewohnen. Denn mit den Endspielteilnehmern, der HSG Wetzlar und dem VfL Bad Schwartau, sowie den Halbfinalisten HSG Nordhorn und GWD Minden bestritten zwar nicht gerade Handball-Nobodys das Final-Four-Turnier in Hamburg, aber eben doch Teams, die eher Bundesliga-Mittelmaß verkörpern.

Dem Veranstalter, der Handball-Bundesliga Vereinigung Männer (HBVM), war das gleich. Die Alsterdorfer Sporthalle war auch zum achten Mal seit 1994wieder an beiden Spieltagen ausverkauft. Und für die jeweils 2.300 Zuschauer hatte sich die Reise an die Alster mehr als gelohnt. Denn was die vier Teams, getragen vom Publikum und beseelt vom Willen, sich auf den letzten Drücker noch für den europäischen Pokalsieger-Wettbewer zu qualifizieren, zeigten, hatte mit Mittelmäßigkeit überhaupt nichts zu tun. Eher schien es, als hätten sich alle Beteiligten verabredet, noch einmal letzte Reserven aus den von einer langen Saison strapazierten Körpern herauszuholen, was schon in den Halbfinals zwischen Minden und Wetzlar (27:28) sowie Nordhorn und Bad Schwartau (20:23) deutlich wurde – und sich beim 26:22-Finalsieg der Schwartauer gegen Wetzlar nahtlos fortsetzte.

Ein ganz besonderes Beispiel hierfür war der Wetzlarer Spielgestalter Markus Baur, der allemal unterstrich, dass er den diesjährigen Titel „Handballer des Jahres“ in Deutschland absolut zu Recht erhalten hat. Mit einer Bänderdehnung im Knie angeschlagen ins Wochenende gegangen, überzeugte der 30-jährige Nationalspieler, der in der nächsten Saison zum TBV Lemgo wechselt, vor allem im Halbfinale. Hier war er zwar „schon nach 50 Minuten total platt“, verwandelte aber dennoch alle sieben Strafwürfe, erzielte insgesamt 13 Tore und war Wetzlars Garant für den Sieg im Halbfinale. So war auch Trainer Velimir Petkovic trotz der Freude über die Finalteilnahme geplagt von gemischten Gefühlen: „Markus hat eine großartige Leistung gezeigt. Es wird sehr schwer werden ohne ihn“, lamentierte er.

Sorgen, die der Schwartauer Trainer mit den Verantwortlichen von GWD Minden teilt, denn auch die müssen mit Talant Duschebajew nach drei Jahren den Denker und Lenker ziehen lassen. Der 32-jährige zweifache Welthandballer wird seine einzigartige Karriere in seiner Wahlheimat Spanien langsam ausklingen lassen und unterschrieb bei Ciudad Real einen Dreijahresvertrag. Die stärkste Liga der Welt wird damit nach vier Jahren um einen seiner größten Stars ärmer: „Die Bundesliga ist sehr hart und intensiv, ich habe einiges einstecken müssen. Trotzdem hatte ich eine gute Zeit hier und habe viele interessante Erfahrungen gemacht“, sagte der Ausnahmekönner nun bei seinen letzten Auftritten für Minden.

Eine Erfahrung, auf die er sicherlich gerne verzichtet hätte, war die kürzlich verbrachte Nacht im vorübergehenden Gewahrsam der deutschen Justiz wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung. Ein Relikt aus seiner Zeit beim TuS Nettelstedt, für das Duschebajew, der den schwarzen Peter seinem ersten Arbeitgeber hierzulande zuschiebt, jetzt angeblich 350.000 Mark Kaution hinterlegen musste, um wieder auf freien Fuß zu kommen. Dennoch ist der Ausnahmehandballer zuversichtlich: „Ich sehe den behördlichen Prüfungen gelassen entgegen und denke, dass ich ganz in Ruhe nach Spanien gehen kann.“

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