: Draußen vor der Tür
Italienische Deportierte protestieren gegen Ausschluss von Entschädigung. Deutsche Botschaft verweigert Gespräch
ROM taz ■ „Wir wollten dem Botschafter einen Brief und einen Strauß weißer Rosen übergeben. Aber man hat uns gar nicht reingelassen. Stattdessen sind wir im Eingang abgefertigt worden, von der Kulturbeauftragten der Botschaft. Wir können das nur als Provokation auffassen, als Zeichen von Unkultur und Barbarei.“
Enzo Orlandini, Generalsekretär des Verbandes der Deportierten und Internierten, ist außer sich. Zusammen mit wohl hundert ehemaligen Deportierten hat er sich am vergangenen Samstag Vormittag vor der deutschen Botschaft in Rom eingefunden, um gegen den möglichen Ausschluss der „italienischen Militärinternierten“ von den Entschädigungszahlungen für Zwangsarbeiter in Nazi-Deutschland zu protestieren.
Immer gleich ist die Geschichte, die die alten Männer vor der Botschaft erzählen: Als Italien 1943 die Front wechselte, wurden sie nach Deutschland verschleppt, wurde ihnen der Status des Kriegsgefangenen versagt, wurden sie als „Zivilisten“ in Arbeitslager und KZs gesperrt. „Heute noch sind wir gezeichnet“, erklärt Domenico Lucarelli und zeigt dabei seine verstümmelten Hände mit den zerquetschten Fingerkuppen. „Und jetzt will man uns plötzlich wieder zu Kriegsgefangenen aufwerten“, kommentiert sein Leidesgenosse Michele Montagano sarkastisch. Denn Kriegsgefangene haben kein Anrecht auf Entschädigung.
Eine endgültige Entscheidung der deutschen Regierung über die Einstufung der etwa 70.000 noch lebenden italienischen Militärdeportierten wird für Ende Juni erwartet. Schon diese Tatsache werten die Opferverbände als skandalös: Ihnen bleiben dann nur wenige Wochen, um bis zum Stichtag, am 11. August, die Anträge zu präsentieren.
Und dass die Botschaft sich nicht einmal zum Gespräch mit einer Delegation der Opfer bereit fand, wird von den Demonstranten als Signal für eine negative Entscheidung der Bundesregierung gewertet. „Erst die Verarschung, dann der Affront“, schimpft einer, und ein anderer verabschiedet sich mit wegwerfender Handbewegung: „Die haben sich nicht geändert. Bastarde waren sie damals, und Bastarde sind sie geblieben.“
MICHAEL BRAUN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen