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Scholz ohne Schonfrist

Wrocklage abgetreten, Olaf Scholz neuer Innensenator. Sein Antrittsgeschenk: 61 PolizistInnen werden nicht weggespart  ■ Von Sven-Michael Veit

„Die übliche Schonfrist von 100 Tagen wird für mich wohl nicht gelten“, mutmaßte der neue Hamburger Innensenator Olaf Scholz, nachdem ihm Bürgermeister Ortwin Runde gestern Nachmittag im Rathaus die Ernennungsurkunde überreicht hatte. Mit seiner Vereidigung am Mittwoch vor der Bürgerschaft wird der 42-jährige Vorsitzende der Hamburger SPD Nachfolger des gestern Vormittag zurückgetretenen Hartmuth Wrocklage (siehe unten sowie Seiten 7 und 12).

„Durchsetzungskraft und Kommunikationsfähigkeit“ bescheinigte der Regierungschef seinem neuen Senator, also genau das, was dessen Vorgänger fehlte. Als Antrittsgeschenke bringt Scholz eine zusätzliche Ausbildungsklasse für 28 PolizeischülerInnen mit und die Rücknahme einer Sparmaßnahme: Die Streichung von 61 Stellen bei der Polizei, bis Ende dieses Jahres im Haushalt vorgesehen, wird aufgehoben.

Scholz, der sein Bundestagsmandat „ohne Rückfahrkarte“ aufgibt, will bis zur Wahl im September vor allem vier „Akzente“ setzen: Die Bekämpfung der „Gewalt unter Jugendlichen“, der häuslichen Gewalt gegen Frauen, das „Vorgehen gegen Intensivdealer“ und die Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr sollen intensiviert werden. „Weitere Maßnahmen“ seien nicht ausgeschlossen, so Scholz, „aber zunächst muss ich mich erstmal einarbeiten“.

Die Demission Wrocklages kommentierte Runde nur mit dürren Worten. Er habe dessen Rücktrittsgesuch angenommen, weil Wrocklage selbst „zu der Überzeugung gelangt ist, dass ein personeller Neuanfang die beste Ausgangssituation für die Rückkehr zur Sacharbeit“ sei. Dafür und für „seine Leistungen danke ich ihm“.

Zugleich findet ein Personalkarussel der Staatsräte statt. Wolfgang Prill wechselt von der Innen- in die Finanzbehörde, der jetzige Finanzstaatsrat Dirk Reimers geht in die Innenbehörde zurück: Er war bereits Polizeipräsident und Staatsrat unter Wrocklages Vorgänger Werner Hackmann und soll jetzt Scholz den Rücken freihalten: Reimers gilt als einer, der den Polizeiapparat in den Griff bekommen kann.

Einen weiteren Rücktritt müssen Hamburgs Sozialdemokraten zunächst nicht bewältigen: Parteichef will Scholz, seit April 2000 im Amt, bleiben – einem ungeschriebenen Gesetz der Hanse-SPD zum Trotz, wonach Senatsamt und Parteivorsitz unvereinbar seien. Der Bundeskanzler sei ja auch Bundesparteichef, so Scholz, und ungeschriebene Gesetze, das weiß der neue Innensenator bereits, „sind ja keine geschriebenen“.

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