: Arbeit an der Ich-Entwicklung
■ Die bulgarischen Zwillinge Keti und Boyana Stoyanova haben sich schon als Kinder aufs gemeinsame Gitarrenspiel geeinigt. Das Ergebnis ist heute Abend beim Sommerfest der Galerie Rabus zu hören
Sie kommen gerade von einem hochkarätig besetzten Gitarren-Festival in Dänemark zurück: Noch haben sie keine Erfahrung darin, ganz selbstverständlich zwischen den Großen ihres Fachs zu spielen. „Das war ein Riesenerlebnis, wir wurden richtig ernst genommen“, sagt die Gitarristin Keti Stoyanova. Mit ihrer Schwester Boyana Stoyanova studiert sie seit 1998 in Bremen. Ihr Konzertexamen wollen sie zwar bald solo ablegen. Doch alles andere läuft eher als Duo, aber auch wirklich alles, die Musik und das Leben, denn die 21-jährigen aus Plovdiv in Bulgarien sind eineiige Zwillinge.
Der Vater, der erst einmal entsetzt war, gleich zwei Kinder zu kriegen, ist Ingenieur, die Mutter Chemikerin. Im Elternhaus gab es zunächst einmal keine Musik. „Aber eine Nachbarin hatte ein Klavier, da sind wir immer hin und haben zugehört“, erzählt Boyana, die lebhaftere, die schnellere. Und sie haben in einem Chor gesungen mit den alten, im kommunistischen Bulgarien verpönten Vokaltechniken.
Klavier aber durften sie zu Hause nicht spielen, weil wegen eines kranken Bruders Ruhe herrschen musste. So kamen sie zur Gitarre, Keti ein halbes Jahr vor Boyana. „Der Vater hat immer gesagt: ,Was soll das?', und unsere Mutter hat eines Tages gemeint: ,Macht es im Ernst oder gar nicht!'“ Sie besuchten dann ein musisches Gymnasium – eine Schulform, die es bei uns nicht gibt –, und mit 18 war beiden klar: Sie müssen raus, denn „es gibt in Bulgarien keine Position für klassische Gitarre“. Da hatte sie auch schon ihr jetziger Gitarrenlehrer entdeckt, Bernard Hebb von der Hochschule für Künste in Bremen.
Im Gespräch mit Keti und Boyana Stoyanowa bekommt man schnell Lust darauf, einmal Mäuschen in ihrem Alltag zwischen Privatleben, Üben und Konzertorganisation zu sein. „Wir hatten und haben keine Konflikte, wir haben immer nur Gitarre gespielt“, sagt Boyana. Das kann doch kaum sein? „So ist es auch nicht“, meint Keti, „gerade in den letzten Jahren haben wir unsere Verschiedenheit entdeckt und leben ganz bewusst mit ihr.“ „Ich bin emotional und schnell, sie ist eher schüchtern“, meint Boyana selbstbewusst. Sie üben allein und haben zweimal in der Woche eine gemeinsame Probe. „So können wir auch gut an einer Ich-Entwicklung arbeiten“. Für das kammermusikalische Duo-Spiel kann man sich kaum besseres wünschen als derartiges gegenseitiges Kennen: „Es ist schon passiert, dass ich eingeatmet habe, und Keti hat dann angefangen zu spielen“, erzählt Boyana.
Die Literatur für zwei Gitarren ist begrenzt, aber es gibt sie doch. Eigene Transkriptionen haben sie noch nicht gemacht, aber sie planen das. Im Zentrum steht ohnehin erst einmal das bevorstehende Soloexamen. Keti liebt Klassik, Mauro Guliani zum Beispiel, dessen Gitarrenkonzert in Wien bei seiner Uraufführung 1808 eine Welle der Begeisterung für die Gitarre auslöste. „Das ist wie Mozart, wahnsinnige Musik“, und auch Bach liebt sie. Boyana zieht es eher zur Romantik, zu Isaac Albeniz. Eins der großen Vorbilder ist der große alte Julian Bream: „Der hat Kraft, Klangfarben, man kann nur dasitzen und ohne Ende staunen“, schwärmt Keti. Auf die Frage, wie man eine Klangfarbe auf der Gitarre übt, sagt Boyana schnell: „Das kann man nicht üben, das hat man.“
So zufrieden sie in Bremen sind und so wenig sie hier wieder wegwollen, Heimweh gibt es doch. „Die Menschen in Bulgarien sind offener und spontaner, es ist manchmal schwer, mit der hiesigen Mentalität fertig zu werden“. Für gut halten beide allerdings die deutsche Organisation. Was wollen sie nach ihrem Examen? Keti will auf jeden Fall noch einmal in ein anderes Land, am liebsten Spanien.
Ute Schalz-Laurenze
Keti und Boyana Stoyanova spielen heute, Freitag, anlässlich des Sommerfestes in der Galerie Katrin Rabus (Beginn 19 Uhr).
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