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Verflochtene Eliten

Die rumänische Regierung hat die Haftstrafen für Beamtenbeleidigung erhöht. Doch das ist unnötig. Rumänische Journalisten sind längst zahm

von KENO VERSECK

Dana Bordeianu ist Journalistin bei der halbamtlichen rumänischen Presseagentur Rompres und zuständig für die Berichterstattung über eine Regierungspartei. Es ist die Zeit kurz nach dem Regierungswechsel von 1996. Eines Tages ruft der neue Ressortchef Constantin Badea die junge Journalistin in sein Büro. Er ist wütend, weil Dana Bordeianu über umstrittene Regierungspolitiker berichtet hat. „In Zukunft rührst du die Leute nicht mehr an“, befielt er. Dana Bordeianu nimmt es zur Kenntnis. Bald darauf kündigt sie und wird Redakteurin bei einer Bukarester Tageszeitung.

„Es kam nicht nur einmal vor, dass ich solche Anweisungen erhielt“, erzählt sie. Ähnliche Vorfälle erleben rumänische Journalisten ständig. Im Unterschied zu Dana Bordeianu will fast niemand seinen Namen nennen. Aus gutem Grund: Politik und Medien sind in Rumänien eng verflochten. Alle Journalisten wissen es. Wer darüber offen redet, riskiert den Arbeitsplatz.

Zu jedem Regierungswechsel in Rumänien gehört, dass die Führungsebenen beim Staatsfernsehen TVR und beim staatlichen Radio Romania mit Vertrauensleuten der Machthaber besetzt werden. Gerade die seit sechs Monaten erneut regierende Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) hat darin Erfahrung. Am Mittwoch avisierte eine Parlamentskommission die Jahresfinanzberichte der beiden Sender TVR und RR negativ. Stimmt eine Parlamentsmehrheit dem zu, können die politisch einflussreichen Aufsichtsräte von TVR und RR neu besetzt werden, obwohl ihr offizielles Mandat erst im kommenden Jahr abläuft.

Drohungen sind unnötig

Auch nichtstaatliche, offiziell unabhängige Medien fühlen sich unter Druck gesetzt. Kürzlich legte Justizministerin Rodica Stanoiu einen Gesetzentwurf vor, laut dem die Gefängnisstrafen für Beleidigung, Verleumdung und Herabwürdigung von Staatsbeamten angehoben werden sollen. Häufig ist die Drohung mit Prozessen und harten Strafen jedoch gar nicht nötig. Die Beschwerde eines Politikers beim Chefredakteur einer Zeitung oder dem Besitzer eines Fernsehsenders genügt, und Journalisten finden sich anderntags auf neuen Posten oder vor der Tür wieder.

Offiziell existieren solche Vorfälle nicht. Bei MediaPro etwa, der mächtigsten Mediengruppe des Landes, der unter anderem der Fernsehsender ProTV und die Nachrichtenagentur Mediafax gehört, will niemand auf die Frage nach solchen Vorfällen antworten.

Noch häufiger kommt es vor, dass bestimmte Themen oder Personen von der Berichterstattung ausgeklammert werden. Oft sind Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen Teile von Wirtschaftsimperien. Mircea Toma, Journalist bei der Satire-Wochenschrift Academia Catavencu und Mitbegründer der „Agentur für Presse-Monitoring“ spricht von einer „Mafiotisierung der rumänischen Medienlandschaft“.

Haupteigentümer des Fernsehsenders Antena 1 und der Zeitung Jurnalul National ist der Geschäftsmann Dan Voiculescu, der dem Wirtschaftsimperium „Crescent“ vorsteht und dessen Humanistische Partei (PUR) mit der Regierungspartei PDSR eine Allianz eingegangen ist. Die Zeitung Curentul wird unter anderem vom Geschäftsmann Sorin Ovidiu Vintu finanziert, Miteigentümer des Investmenthauses Gelsor, das wiederum den Investmentfonds FNI verwaltete, der im Mai 2000 zusammenbrach und einen der größten Finanzkrachs im postkommunistischen Rumänien auslöste.

Das Beispiel der Bosse wirkt nach unten: Viele Journalisten lassen sich ihre unkritische Berichterstattung von Politikern oder Geschäftsleuten bezahlen. Auch die Geheimdienste mischen mit. So gab der Exchef des Inlandsgeheimdienstes SRI, Virgil Magureanu, vor Jahren zu, dass der Presse regelmäßig Dokumente zum Zwecke der Desinformation und Manipulation zugespielt würden.

Eine Gewerkschaft, die die Interessen von Journalisten vertritt, gibt es nicht. Der „Rumänische Presseclub“ ist ein Interessenverband rumänischer Medienmogule. Sein Präsident Dumitru Tinu, unter Ceaușescu hochrangiger Journalist, sitzt beispielsweise als Aufsichtsrat im rumänischen Ableger von Marriott. „Viele Medienunternehmen kämpfen ums ökonomische Überleben und brauchen dringend Werbekunden“, erklärt Mircea Toma die Situation. „Und die Journalisten sind durch schlechte Arbeitsverträge und fehlende gewerkschaftliche Strukturen völlig den Arbeitgebern ausgeliefert.“

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