: Brennende Häuser in Bitola
Als Rache für den Tod von fünf Soldaten brennen Makedonier in Bitola albanische Häuser und eine Moschee nieder. Derweil droht die Regierung mit der Verhängung des Kriegsrechts. Die internationale Gemeinschaft warnt massiv vor diesem Schritt
von ERICH RATHFELDER
Bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten in der Nacht zum Donnerstag in der südmakedonischen Stadt Bitola, der zweitgrößten Stadt Makedoniens. Nachdem am Mittwoch fünf makedonische Soldaten durch einen Überfall der UÇK in der Grenzregion bei Tetovo getötet wurden, kam es zu Racheakten. Drei der Soldaten stammen aus dieser Stadt. Schon Anfang Mai war es hier nach einem ähnlichen Vorfall zu Ausschreitungen gegenüber Albanern gekommen.
Gestern Nacht brannten erneut nach unterschiedlichen Angaben 50 bis 100 Häuser und Geschäfte von Albanern und muslimischen Makedoniern. Die Wut der Demonstranten machte vor Gotteshäusern nicht Halt, eine Moschee brannte nieder. Das Haus des stellvertretenden Gesundheitsministers Muarem Nexhipi ging ebenfalls in Flammen auf. Nexhipi flüchtete mit seiner Familie nach Albanien.
Die aufgebrachte Menge von rund 3.000 Menschen missachtete sogar das Ausgangsverbot. Während dieser pogromartigen Zustände sollen albanische Geschäftsleute auf die Menge geschossen haben. Das „Makedonische Informations-Zentrum“, eine unabhängige Presseagentur aus Skopje, erklärte aber, dass diese Informationen bisher noch nicht offiziell bestätigt seien.
Die Version ist aber wahrscheinlich. Denn die Polizei, die erklärte, sie sei gegenüber der Menge machtlos gewesen, hatte bei den Vorfällen im Mai nicht eingegriffen. Danach sollen Albaner Selbstschutzgruppen gegründet haben. Gestern Nachmittag war die Zahl der Verletzten auf über 20 Personen gestiegen. Die Lage beruhigte sich wieder. Die fast 100.000 Einwohner zählende Stadt Bitola, die nahe der Grenze zu Griechenland liegt, galt als liberale Stadt. Mehrheitlich wohnen hier slawische Makedonier, die zumeist orthodoxe Christen sind. Eine Minderheit der slawischen Bevölkerung besteht aus Muslimen, die enge Kontakte zu den ebenfalls muslimischen Albanern haben.
Unterdessen wird in Makedonien über die Forderung von Ministerpräsident Ljupčo Georgievski, das Kriegsrecht auszurufen, heftig diskutiert. Vor allem die Albanerparteien wehren sich. Makedonische Experten in Skopje weisen darauf hin, dass im Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten zustimmen müsste, was unwahrscheinlich sei. Erst bei Beschlussunfähigkeit des Parlaments könnte der Präsident die Entscheidung selbst treffen.
Für Aufregung sorgten die Stellungnahmen des Innen- und des Verteidigungsministers, die erklärten, der Kriegszustand könnte auch durch „militärische Strategen“ ausgerufen werden. Geschehe dies, würde die männliche und wehrfähige Bevölkerung Makedoniens für die Armee mobilisiert werden. Die internationale Gemeinschaft, so Nato-Generalsekretär Robertson und EU-Außenminister Solana sowie die Regierungen in Washington und Berlin, warnten die makedonische Führung vor dem Schritt, da er zur Ausweitung des Krieges beitragen würde. Der serbische Politiker und Unterhändler in Südserbien, Nobojsa Cović, forderte Skopje auf, mit der UÇK direkt zu verhandeln.
Derweil haben die makedonischen Sicherheitskräfte empfindliche Rückschläge hinnehmen müssen. Sie wurden von der albanischen Rebellenarmee UÇK gezwungen, das Dorf Matejce zu verlassen. Alle Siegesmeldungen der makedonischen Seite, sie hätten Vaksince und Slupcane in ihrer Hand, sind nach Angaben von Beobachtern und der UÇK falsch. Am Verlauf der Frontlinien habe sich nichts oder lediglich etwas zuungunsten der Sicherheitskräfte geändert. Zudem wurde die Wasserzufuhr für Kumanovo und Umgebung unterbrochen. In dem von UÇK kontrollierten Gebiet nahe Lipkovo liegt die für die Wasserversorgung wichtige Talsperre, die von den Regierungstruppen mit Artillerie beschossen worden ist.
Der Anschlag auf den Konvoi der makedonischen Streitkräfte zeigt, dass die UÇK wieder an Tetovo herangerückt ist. Das Dorf Gajre, wo der Anschlag stattfand, liegt in Sichtweite oberhalb der Stadt. Schon seit Wochen ist diese Grenzregion umkämpft. Gerüchte, dass eine neue Front im Westen Makedoniens, in Debar, aufgemacht würde, verdichten sich. In den umliegenden Dörfern mit albanischer Bevölkerung scheinen Vorbereitungen im Gange zu sein, sich dem Aufstand der UÇK anzuschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen