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Der radikale Schnitt

Die PDS ist so selbstbewusst, dass sie für eine mögliche Regierungsbeteiligung Bedingungen stellt

aus Berlin UWE RADA

Kaum hatte die SPD in Berlin verkündet, das Regierungsbündnis mit der CDU zu verlassen, begann in der Hauptstadt der Wahlkampf. Der noch Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hat die Linie vorgegeben. „Es wäre nur konsequent, wenn die SPD Neuwahlen am 13. August, dem 40. Jahrestag des Mauerbaus, anstreben würde“, sagte Diepgen gestern angesichts einer möglichen Regierungsbeteiligung der PDS boshaft. Auch bei der Bundes-CDU stehen die Zeichen auf Lagerwahlkampf. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sagte, es sei skandalös, dass die Sozialdemokraten ausgerechnet in dem Jahr, in dem sich der Bau der Mauer zum 40. Male jähre, eine Koalition unter Einbeziehung der PDS anstrebten.

Sollte das Berliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der CDU am kommenden Dienstag tatsächlich den Weg für Neuwahlen in Berlin freimachen, dürfte im Wahlkampf der CDU mehr von Berlin-Blockade und Rosinenbombern die Rede sein als von Finanzlöchern und Bankenkrise – ganz egal, ob der CDU-Spitzenkandidat nun Eberhard Diepgen heißt oder nicht.

Eigentlich war die Zeit der Rote-Socken-Kampagnen in der Hauptstadt längst vorbei. Nachdem die CDU bereits bei den Wahlen 1995 festgestellt hatte, dass mit dem Antikommunismus Westberliner Provenienz kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist, haben auch die Christdemokraten in ihrem Verhältnis zur PDS Normalität einkehren lassen. Jüngstes Beispiel: Im Bezirk Mitte hat sich der CDU-Kandidat Joachim Zeller mit den Stimmen der PDS zum Bezirksbürgermeister wählen lassen. Der bisherige CDU-Finanzsenator Kurth sitzt sogar bei PDS-Veranstaltungen auf dem Podium.

Doch was in ruhigeren Zeiten normal ist, wird in Krisenzeiten wieder zum vermeintlich rettenden Stohhalm. Der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende und Bankenchef Klaus Landowsky hatte noch vor seinem Rücktritt erklärt, die SPD sei für ihn eine „degenerierte Partei“, die „ihren Freiheitskampf der letzten 50 Jahre für ein Linsengericht der Macht“ verraten will.

Mit ihrem Griff in die Mottenkiste des Kalten Krieges und dem Versuch, die PDS als Nachfolgepartei der SED vorzuführen, steht die CDU allerdings alleine da. Selbst der eher rechte SPD-Frontmann und Schulsenator Klaus Böger erklärte gestern, die PDS sei „ernst zu nehmen“. Der stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner SPD, Andreas Matthae, meinte, es gehe nicht darum, die PDS zu verteufeln oder in den Himmel zu loben. Vielmehr müsse sie als normale, konkurrierende Partei angesehen werden. Als erster schloss Matthae gestern auch ein Regierungsbündnis mit der PDS nicht aus. Ähnlich äußerte sich die grüne Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz. Sie sagte, ihre Partei habe „kein Problem mit der PDS“.

In der Parteizentrale der PDS reagiert man auf so viel Wohlwollen oder Feindbildtauglichkeit ohnehin nur noch mit einem Lächeln. Längst ist die PDS mit ihrem Wahlergebnis von knapp 18 Prozent zu einer festen Größe im Berliner Parteiensystem geworden. Selbst den Grünen haben die Sozialisten den Titel als Oppositionsführerin strittig gemacht. Hinzu kommt, dass der PDS-Fraktionsvorsitzende und Finanzexperte Harald Wolf durch seine zurückhaltende, aber hartnäckige Politik großen Anteil daran hatte, dass die Berliner Bankenkrise zur Sollbruchstelle für die große Koalition wurde.

Es ist ein Zeichen für die gestiegene Bedeutung und das Selbstbewusstsein der PDS, dass sie nicht mehr nur Zünglein an der Waage ist, sondern für eine mögliche Regierungsbeteiligung Bedingungen stellt. An einem Übergangssenat werde sich die PDS nicht beteiligen, sagte gestern der frühere Chef der PDS-Bundestagsfraktion, Gregor Gysi. Erst nach vorgezogenen Neuwahlen sei seine Partei zu einer Regierungsbeteiligung bereit. Gysi forderte zugleich „neue Köpfe“ für Berlin. Ob er selbst zu diesen Köpfen gehören werde, ließ er allerdings offen.

Aber auch ohne Regierungsamt ist Gregor Gysi für seine Partei der eigentliche Türoffner ins Rote Rathaus. Dem Kalten-Kriegsgeschrei der CDU kann er nicht nur entgegnen, dass sich die Berliner PDS-Landesvorsitzende Petra Pau und die Bundesvorsitzende Gabi Zimmer für den Bau der Mauer entschuldigt haben. Auch auf die Zusammenarbeit mit der FDP kann Gysi verweisen. Schließlich haben sich PDS, Liberale und Grüne bereits in der letzten Woche zusammengetan, um ein Volksbegehren für Neuwahlen in Berlin auf die Beine zu bringen. Selbst Ex-FDP-Chef Wolfgang Gerhardt hatte sich unlängst mit Gysi demonstrativ in der Reichstagskantine gezeigt. Berliner Bündnisse werden schon lange nicht mehr nur auf Berliner Ebene beschlossen.

Das größte Pfund der PDS und zugleich das größte Ärgernis für den Lagerwahlkampf der CDU ist freilich die Popularität Gysis. Fast ein Viertel aller Berliner würde dem PDS-Star laut jüngsten Umfragen zutrauen, die Berliner Finanzkrise als Regierungschef zu meistern. Die Werte von Eberhard Diepgen waren mit 33 Prozent nur unwesentlich höher. Der Wahlkampf, der gestern in der Hauptstadt begonnen hat, könnte auch schnell zum Wahlkampf gegen die CDU werden.

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