„Atom-Konsens“: Kisten voller Listen
■ 17.000 Einwände gegen das geplante Zwischenlager am AKW Unterweser
Wie ein Riesen-Kasten soll es aussehen, das Standort-Zwischenlager am Atomkraftwerk Unterweser, das ab dem Jahr 2005 bis zu 80 Transport- und Lagerbehälter mit radioaktiven Abfällen aufnehmen soll. Die Betonhalle soll 80 Meter lang, 27 Meter breit und 23 Meter hoch werden: ein gigantischer Bunker für Trittins Atomkonsens direkt vor den Toren Bremens. Hier soll gelagert werden, bis im Jahr 2030 eine endgültige Halde für den Atomschrott aus Esenshamm und den anderen AKWs gefunden ist.
Zwischen Februar und April konnten Interessierte Einwände gegen den Betonbunker beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) einreichen. Satte 17.500 Proteste von NGOs, Kommunen und Privatpersonen kamen zusammen – so viele wie gegen kein anderes der insgesamt 13 in Deutschland geplanten Zwischenlager.
Der Protest brodelt: Die örtliche Bürgerinitiative „Aktion Z“, aber auch die Greenpeace-Gruppen in Oldenburg, Bremerhaven und Bremen haben kistenweise Sammeleinwendungen in Form von Unterschriftenlisten gesammelt. Auch die umliegenden Gemeinden Beverstedt, Loxstedt, Schiffdorf und Hagen sind dagegen.
Heute ist der erste Tag des „Erörterungstermins“ in der Markthalle in Rodenkirchen, an dem alle Bedenken mündlich vorgetragen werden dürfen. „Der größte Ort, der in der Gegend aufzutreiben war“, sagt BfS-Sprecher Volker Schäfer. Er erwartet vielleicht 200 Anwesende. Ein Erfahrungswert: Seit vergangenem Jahr fand die gleiche Prozedur unter anderem schon in Biblis und Neckarwestheim statt, „fünf Tage dauerte es in Philipsburg, nur zwei in Brokdorf“, sagt Schäfer. Beendet ist die Erörterung erst, wenn alle Einwände verhandelt sind.
Der rot-grüne „Atomkonsens“ – Ausstieg in rund 35 Jahren – läßt AKW-Gegner nicht gerade strahlen. Bis zum Ausstieg soll ein endgültiges Endlager gefunden, derweil die Zahl der Castoren-Transporte durch Zwischenlager bei den deutschen AKWs gedrittelt werden.
Aber auch Zwischenlager setzen radioaktive Energie frei, erhöhen das Atomrisiko an der Weser. Greenpeace kritisiert, dass der Atommüll in sogenannten „Castor V/19“-Behältern gebunkert werden soll – die sind in Deutschland noch nie praktisch getestet worden. Es sei nicht belegt, dass die Castoren 30 Jahre oder länger dicht bleiben. Der Naturschutzbund mäkelt an der beantragten Laufzeit bis 2040. Esenshamm, derzeit vom Energieriesen E.on betrieben, solle doch bereits in den zwanziger Jahren vom Netz gehen.
Beim Erörterungsverfahren für den neuen Berliner Flughafen Schönefeld (130.000 Einwände) beruhigte sich der Verhandlungsführer mit Psychopharmaka, es gab Tumulte, das Verfahren mußte mehrere Male verschoben werden. „So viel Krach wie in Berlin erwarten wir nicht“, sagt BfS-Sprecher Schäfer. Der Grund: bei den vorherigen Erörterungsverfahren seien schon viele Probleme abgehakt worden. „Dennoch“, so Schäfer, „auch unser Verhandlungs-Mann Bruno Thomauske hat harte Nerven. Die anderen Termine haben gezeigt, dass es turbulent werden kann.“
Tatsächlich kann die Anhörung selbst das Zwischenlager sowieso nicht stoppen. Schäfer: „Am Ende gibt's keine Entscheidung. Aber das BfS wird alle Einwände prüfen – auch die, die uns nur schriftlich vorliegen.“ ksc
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