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Scheinheilige Diskussionen

betr.: „Der Mensch ist keine Ware“, „Wo bleibt der Mythenrat?“, taz vom 13. 6. 01

Der Naturwissenschaftler, Philosoph und Sciencefiction-Autor Stanislaw Lem hat uns seit den Sechzigerjahren beharrlich gelehrt: Was immer ein Mensch sich in seinen kühnsten Fantasien ausdenkt, will er auch verwirklicht sehen. Und wenn er etwas als machbar befindet, wird er es auch tun. Diese Einsicht hielt bisher jeder Prüfung stand.

[...] Die scheinheiligen Diskussionen um Ethik und Menschenwürde sind nur Pappmaschee-Fassaden am Straßenrand, und wir sollten uns diesen Aufwand sparen. Dass die PID-Diskussion eine solch irrationale Breite einnimmt, zeigt nur: Es geht gar nicht um die relativ geringe Zahl von In-Vitro-Fertilisationen, die bisher davon betroffen sind. [...] Bei der die Öffentlichkeit bewegenden Diskussion geht es vielmehr um die Vision der Einführung einer weitestgehenden Prä-Implantations-Diagnostik für jedes neu gezeugte Kind. Was einschließt, dass in näherer oder fernerer Zukunft jedes Kind im Reagenzglas gezeugt wird. Dann wird selbstverständlich der angezüchtete Embryo getestet, ob er den gängigen ärztlichen Kriterien entspricht. Wo nicht, wird er selektiert. Es wäre ja nun schade, wenn das ganze ausgesonderte, aber wertvolle Material nutzlos vernichtet würde! Wo es sich doch so gut für die Forschung, aber auch für die Produktion von Ersatzorganen und Medikamenten eignet. Und was machbar ist ...

Was also soll das ganze Geschrei und schamhafte Drumherumreden? Tun wir, was wir tun können! Es ist doch alles zu unserem Besten, for a brave new world. MICHAEL PIETSCH, Schwerin

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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