: Mit Vollgas über Reichskriegsflagge
■ Kuhle Wampe: Motorradclub fuhr gegen „Dummheit und Hass“ von Neonazis
Sie brauchten keine Kohorten von PolizistInnen mit Wasserwerfern wie die marschierenden Neonazis, um sich den Weg durch die Menge zu bahnen. Im Gegenteil: Als die 100 BikerInnen der Motorradclubs „Kuhle Wampe“ aus Hamburg und Schleswig-Holstein am Samstag mit ihren 70 heißen Öfen durch Neumünster und Elmshorn dröhnten, um gegen „Rassismus, Dummheit und Hass“ von rechts zu protestieren, wurden sie von den BewohnerInnen teilweise mit standing ovations empfangen.
Es war das vierte Mal, dass sich die Kuhle Wampe-FahrerInnen zu einem Korso gegen rechte Gewalt auf den Bock begaben. Hintergrund ist die wachsende Zahl rechter Gewalttaten im Norden und die zunehmenden Aktivitäten militanter Neonazis vor allem in Neumünster und Elmshorn. Ziel des Korsos war daher zunächst der Naziskin- und Rechtsrock-Treff „Club 88“ in Neumünster-Gadeland – Anlaufpunkt der rechten Szene im Norden. Doch der Versuch, das faschis-tische Reichskriegsbanner symbolisch zu verbrennen, fiel durch einen Platzschauer ins Wasser – der Fetzen fing kein Feuer. Stattdessen wurde der Unmut durch das Überfahren der Flagge mit den Rädern zum Ausdruck gebracht.
Dagegen lachte in Elmshorn die Sonne, obwohl düstere Wolken im Anmarsch sind. In der Stadt plant der Hamburger Neonazistratege Christan Worch am 14. Juli bereits den nächsten Aufmarsch. Im vorigen Jahr hatte es in Elmshorn – wie berichtet – diverse Nazianschläge auf das IG Metall-Büro gegeben und waren Morddrohungen gegen IG Metall-Chef Uwe Zabel sowie SPD-Bürgermeisterin Brigitte Fronzek ausgestoßen worden, weil beide sich im „Bündnis gegen Neonazis“ engagieren. „Ich finde es echt gut, dass die Gewerkschaft hier in die Offensive geht“, sagte ein Biker am Rande der Kundgebung vor dem IG Metall-Büro. „Das ist woanders nicht immer so.“
Dass dies auch im traditionsreichen Elmshorn nicht immer einfach ist, beschrieb Pastorin Britta Stender – selbst Bikerin – von der Luthergemeinde aus Elmshorn-Hainholz. Als sie das Thema „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ während ihrer Konfirmationspredigt zur Sprache brachte, hagelte es ausländerfeindliche Reaktionen der Eltern.
Daher sehen vor allem nichtdeutsche ElmshornerInnen dem Worch-Aufmarsch mit „Angst um Leib und Leben“ mit Schrecken entgegen. In einem Appell, der unter ausländischen Vereinen, Verbänden, Institutionen und Geschäften kursiert, bringen sie ihre Sorge zum Ausdruck und fordern ein Verbot des braunen Spuks.
Peter Müller
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