nebensachen aus buenos aires: Pechsträhne einer angehenden Legende
Flitterwochen unter Hausarrest
Argentinien ist das Land der Legenden. Juan Domingo und Evita Perón, Ernesto „Che“ Guevara, Diego Maradona haben den Einzug in die Ahnengalerie am Rio de la Plata geschafft. Dabei gibt es kein Gesetz, das entscheidet, wer zur Legende wird. Ganz zufällig findet die Legendenbildung aber auch nicht statt. Wichtig ist, dass der Aspirant auch außerhalb des Landes zeitlebens für Furore sorgte oder aber zumindest einen exzentrischen Lebenswandel hatte. Am Samstag hat der peronistische Provinzabgeordnete Nicasio Barrionuevo einen neuen Kandidaten für Argentiniens Wachsfigurenkabinett unsterblicher Persönlichkeiten vorgeschlagen: den Expräsidenten und derzeitigen VIP-Sträfling Carlos Menem.
Purer Zufall, dass Barrionuevo Mitglied von Menems peronistischer Justizialistischer Partei ist. Zufall auch, dass er aus der Provinz La Rioja stammt, Menems Heimat. Dort neigt man zuweilen etwas übermütig zu werden, wenn es um die Verehrung Menems geht. Der war in La Rioja Provinzgouverneur und hat so einiges für die westliche Provinz getan. Da wäre vor allem der Bau des internationalen Flughafens zu nennen. Die meisten Riojanos haben noch nie ein Flugzeug von innen gesehen, dürfen aber eine Piste bewundern, auf der ein Jumbo-Jet starten und landen kann. Dass die Piste nur unweit des Ortes Anillaco, Menems Landsitz, in den Sand betoniert wurde, ist dabei unwichtig.
Besser gesagt, es war sein Landsitz. Was jeder Krautdieb und Steuerbetrüger weiß, ist auch Menem nicht entgangen: Besitz, der mit Geld erworben und gebaut wurde, das einem nicht wirklich gehört, wird im Grundbuch besser unter einem anderen Namen eingetragen.
Rein formell gehört der Landsitz, wie fast alle Güter Menems, seiner Tochter Zulemita. Nur dumm, wenn der Vater die falsche Frau heiratet und noch dümmer, wenn die Neue kaum älter ist als die Tochter. Das sorgte für böses Blut. Als Menem vor einigen Wochen die Chilenin Cecilia Boloco, eine ehemalige Miss Universum, in Anillaco heiratete, rächte sich die Tochter. Sie verschloss alle Türen des luxuriösen Landsitzes und untersagte als rechtmäßige Eigentümerin „der Chilenin“ das Betreten des Gutes. Menem und Boloco mussten ein anderes Nachtquartier suchen.
Vielleicht war das der Beginn einer qualvollen Ehe. Kurz nach der Hochzeit stellte ein Richter Menem unter Hausarrest wegen eines illegalen Waffengeschäfts, das er während seiner Amtszeit abgewickelt haben soll. Statt Flitterwochen in Paris und Syrien, Hausarrest in Don Torcuatro, Provinz Buenos Aires. Auch wenn das Anwesen ganz prächtig ist, so stellt man sich sein Leben als angehende Legende nicht vor. Vielleicht kommt die Rettung ja aus den USA. George Bush, ebenfalls ein Expräsident, schickte Menem eine E-Mail. „Lieber Carlos, mit Sorge las ich die Berichte aus Argentinien über dich. Ich hasse es, dass du diese schwierigen Momente ertragen musst. Ich will nur, dass du weißt, dass du mein Freund bist und dass du immer mein Freund sein wirst“, schrieb George Bush senior an Menem. Gut, wenn nach so viel Pech endlich ein Hoffnungsschimmer am Horizont zu sehen ist. INGO MALCHER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen