: Künstlerin dank Lehrstellenmangel
■ Einige lobende Worte zur Verleihung des Kurt-Hübner-Preises an Daniela Sindram
Für Daniela Sindram wurde es ein Abschiedsgeschenk: Am Montagabend erhielt die Opernschauspielerin und Mezzosopranistin am Bremer Theater den mit 10.000 Mark dotierten Kurt-Hübner-Preis der Bremer Theaterfreunde. Nach fünf Jahren Bremen, in denen sie die Titelrolle in „Fräulein Julie“, die Dora Bella in „Così fan tutte“ und den Oktavian im „Rosenkavallier“ sang, wechselt sie nach Mannheim. Unsere Mitarbeiterin Ute Schalz-Laurenze hielt die Laudatio auf die 1968 geborene Sängerin, die wir in Auszügen dokumentieren.
Schon im ersten Gespräch mit Daniela Sindram im Oktober 1996 fiel mir auf, wie vorsichtig sie mit ihrer Stimme umgeht: viel Training, viel Vorsicht gegenüber zu frühen Aufgaben. So hat sie am Anfang in Bremen abgelehnt, die Carmen zu singen – zu Recht. Heute kann sie als dramatischer Mezzosopran es sich leisten, die Sopranpartie der Donna Elvira „einmal auszuprobieren“.
Dass Daniela Sindram auf den Grundlagen des Bel Canto singt, hört man vom ersten Ton: „Nicht mit dem Atem singen, sondern auf ihm“, heißt eine alte Weisheit dieser unersetzbaren Gesangslehre. Von Ute Niss in Berlin hat sie sie zuerst gelernt, dann von Judith Beckmann in Hamburg. Dann waren da noch Anna Reynolds und Brigitte Fassbänder. Große Namen, große Vorbilder, zu denen Daniela Sindram noch vor allem Christa Ludwig zählt.
Daniela Sindram hat stets das gute und bei ihr schon ungemein differenzierte Singen mit der Präsenz des Spielens verbunden, sie geht sogar noch weiter und meint, dass erst eine stringente Regie zur Opernaufführung berechtigt. Ihr Spiel ist stets von äußerster Präsenz, voller Offensivität, in bestem Sinne auch voller Provokation.
Eine derartige Spielintensität provozierte im Vorgespräch die Frage, ob es nach der musikalischen Einstudierung zu Kollisionen mit den Regisseuren kommen kann, weil sie selbst auch schon Vorstellungen entwickelt hat. Sie zögerte nicht lange, das zu bejahen. Viel von diesen energetischen Funken, die aus dieser Situation entstehen, spüren wir in jeder Aufführung mit Daniela Sindram.
Je mehr ich über Sindrams Spielart nachdenke, desto mehr glaube ich, dass der Grund ihrer Überzeugungskraft darin liegt, dass sie entschieden, mit unglaublich sauberen Konturen spielt, aber uns keinen „überbrät“ und nie, wirklich nie sentimental ist. Es hat fast etwas Brechtisches, was sie macht: etwas anbieten, aber nicht uns sagen, was wir zu denken haben.
Dass sie so ist, wie sie ist, ist vielleicht nicht nur Können und Selbstbewusstsein, sondern auch die Tatsache, dass Daniela Sindram nicht der Sängertyp ist, der quasi autistisch mit sich selbst beschäftigt durch die Gegend läuft, sondern die mit wachem Bewusstsein die Welt beobachtet und erlebt.
Eigentlich wollte Daniela Sindram Goldschmiedin werden, aber es gab keine Lehrstelle. Dafür drei bestandene Aufnahmeprüfungen in Musikhochschulen, denn sie sang schon als Schülerin eines musischen Gymnasiums gern. Daniela Sindram macht ihren Schmuck selbst. Und mir scheinen die Berufe nicht so verschieden, erfordern sie doch vergleichbare Tugenden: Ausdauer, Fantasie, Vorstellungskraft, etwas bilden, was es noch nicht gibt und am Ende doch eine handwerklich gut fundierte Form haben muss. Etwas, wovon man sich auch wieder verabschieden muss, weil der nächste „Rohzustand“ nach der Gestaltung ruft.
Der Komponist Wolfgang Rihm: „Die Musik ist immer Weg, Fluss, vergehendes Ereignis. Musik ist Vergängnis. Niemand kann sie haben.“ Wie sie aber – oft für immer – im Gedächtnis bleibt, uns verändert, uns weiterhilft, uns sensibel macht, dafür sorgen Persönlichkeiten wie Daniela Sindram.
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