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: „Disneys Große Pause“

Selige Sixties

Waren das noch Zeiten, als die Lehrerzimmer keine Türen sondern nur einen Vorhang aus Glasperlenketten hatten, als die Schulbusse bunt angemalt waren und die Pädagogen zu Ravi Shankar meditierten! So jedenfalls erinnert sich Schulleiter Prickley an die psychedelische Vergangenheit seiner Institution. Offensichtlich haben die 68er auf ihrem Marsch durch die Institutionen nun das Bildungssystem hinter sich gelassen und sind inzwischen sogar in der konservativen Hochburg des Zeichentrickfilms angekommen.

So viel Drogenvergangenheit war noch nie bei Disney wie in „Große Pause“, dem Film zur gleichnamigen Serie um sechs Viertklässler, die sich in einem ständigen Kleinkrieg mit dem Direktor befinden. Bei uns wird sie momentan Sonntagmorgen um 5.40 Uhr auf RTL weg gesendet und ist ansonsten nur im Pay-TV zu sehen. Paul Germain und Joe Ansolabehere, die beiden Entwickler der Serie, hatten zuvor für Nickelodeon an „Rugrats“ gearbeitet, und wie die Welt der Teppichratten funktioniert auch „Große Pause“ nach dem Prinzip einer Sitcom für Erwachsene: An einem festen Ort, hier dem Schulhof während der Pause, werden die Storylines entwickelt, während sich die Beziehungen der Figuren untereinander über Wochen entwickeln. Sowas steht durchaus im krassen Gegensatz zu den sonst meist eindimensionalen Serien für Kinder, die sich kaum mit Figurenentwicklung aufhalten.

Die Kinoversion muss natürlich größer werden als das Leben. Darunter haben gerade die Qualitäten des TV-Stoffs, Kontinuität und komplexe Charaktere, zu leiden. Zwar wird auch in der Serie das Schulhofgerangel parodistisch überhöht, aber dabei bemüht man sich immerhin um eine Abbildung des Alltags. In „Disneys Große Pause“ hingegen beschäftigen sich T. J. und seine Freunde nicht ausschließlich damit, Lehrer in den Wahnsinn zu treiben, sondern zwingen mit Völkerball, explodierenden Softdrink-Dosen und vom TV gelernten Wrestling-Griffen eine paramilitärische Einheit in die Knie. In James-Bond-Manier retten sie zwar nicht gleich die Welt, aber immerhin die Sommerferien. Zwar sorgen die mittlerweile schier unendlichen Möglichkeiten der Computertechnik mitunter für seltsame Effekte, zum Beispiel wenn zweidimensionale Figuren in dreidimensionalen Settings agieren, der traditionelle, flachere, nahezu antiquierte Zeichenstil aber wurde grundsätzlich beibehalten. Auch das erinnert nicht umsonst an die seligen Sixties.

THOMAS WINKLER

„Disneys Große Pause“, Regie: Chuck Cheetz. USA 2001, 83 Min.