: Surfen entspannt
■ Die Kieler Woche war ein Erfolg. Nur Sponsoren wurden immer noch zu wenige angelockt
Der Neuanfang ist vollauf geglückt. Auch ohne die Top-Segler Jochen Schümann und Roland Gäbler hat sich die deutsche Flotte beim ersten Härtetest im nacholympischen Jahr auf Anhieb sieben der 33 erstmals vergebenen Kieler-Woche-Medaillen geangelt. Bei Kaiserwetter stürmte Gebirgsjäger Michael Fellmann ges-tern völlig überraschend auf den Gipfel. Nach dem ersten Triumph eines deutschen Seglers im Finn-Dinghy seit 28 Jahren bei der größten Regatta der Welt hat der werdende Vater aus dem bayerischen Sulzberg nur einen Wunsch: „Nun brauche ich endlich einen Trainer.“
Ein Novum schafften Christiane Petzke aus Neumünster und Wiebke Schröder (Berlin) mit ihrem Doppel-Sieg im Europe: Seit die Einhandjolle den Olympia-Status besitzt, hatte noch nie eine DSV-Akteurin im Wimbledon der Segler gewonnen. „Kieler-Woche-Siege sind Kieler-Woche-Siege, auch wenn einige Weltklasse-Segler nicht am Start waren“, sagte Hans Sendes, der Sportdirektor des Deutschen Segler-Verbandes (DSV) – und hofft nun auf einen „Motivationsschub durch die Erfolgsserie“.
Während das Heimspiel für Surfin Amelie Lux nach einem Fahrradunfall unter keinem guten Stern stand – Platz sechs in der Mistral-Klasse – überzeugten jeweils mit Silber-Plätzen die 470er-Frauen Stefanie Rothweiler/Monika Leu aus Immenstaad sowie die Crew von Yngling-Steuerfrau Ulrike Schümann (Berlin). Die 470er-Männer Lucas Zellmer/Felix Krabbe (Berlin) sowie Helge und Christian Sach (Zarnekau) im Tornado ersegelten sich Bronze. Die 49er-Segler Marcus Baur/Andreas John (Kiel/Hamburg) rasten dagegen als Vierte knapp am Edelmetall vorbei.
Die Olympia-Zweite Amelie Lux erlebte die Kehrseite der Medaille. „So schlimm hätte ich es nicht erwartet“, sagte sie über den Rummel. In Kiel flüchtete die 24-Jährige sogar hin und wieder: „Manchmal bin ich früher raus auf das Wasser, das entspannt.“ Die zierliche Blonde mit dem fröhlichen Lächeln gehört urplötzlich zur deutschen Sport-Prominenz. Ein Energiekonzern aus ihrer Geburtsstadt Oldenburg gibt ihr die nötige Finanz-Power für weitere Großtaten.
Ihr Vertrag läuft bis 2005. Damit steht Amelie Lux ziemlich allein da in einem Sport, bei dem sich Sponsoren eher zurückhalten. Kein Wunder, denn die Zuschauer brauchen schon einen Feldstecher, wenn sie die Regatten verfolgen wollen. Auch Fernseh-Übertragungen sind rar, da kann man mit Werbung schlecht Staat machen. Das Problem brachte Kiels Oberbürgermeister Norbert Gansel auf den Punkt: „Wir hatten schwimmende Tribünen, Video-Übertragungen und versuchen jetzt, die Zuschauer mit einem Schiff zu den Regattabahnen zu fahren. Allerdings ist der Zuspruch so mager, dass dieses Projekt auf Dauer nicht zu finanzieren ist.“
Segeln jedoch ist ein teurer Sport. Der Finn von Fellmann etwa kostet mit zwei Sätzen Segeln knapp 35.000 Mark. Selbst Schümann und Gäbler, die nicht mehr in den olympischen Klassen, sondern als Profis auf den Weltmeeren zu Hause sind, können ein Lied von den Schwierigkeiten der Sponsoren-Suche singen.
Neben Gäbler ist nun auch der dreimalige Olympiasieger Schümann als Bundestrainer im Gespräch: Der Diplom-Sportlehrer, der als einziger Deutscher nach Willi Kuhweide (1964) Olympia-Gold im Finn-Dinghy (1976) holte, wäre genau der richtige Mann, der nach zwei verpatzten Olympia-Teilnahmen als Autodidakt in Athen 2004 alles richtig machen will: „Mein Auftrag ist es schließlich, Medaillen ranzuklotzen.“
Volker Gundrum
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