LeserInnen antworten: Wir ziehen „Bio“ vor.
: Ökologische Rolle rückwärts?

betr.: „udo pollmer über das ... Problem Bioprodukte“, (Der Report „Gesund und gut essen“), taz vom 25. 6. 01

Mein lieber Herr Bestsellerautor! Proben Sie gerade die ökologische Rolle rückwärts? Dann doch bitte wenigstens mit etwas mehr Haltung, sprich: Wahrheit!

Technikfeindlich? So ein Blödsinn! Wir Biobauern haben meist ohne Unterstützung von Dritten zahlreiche Geräte entwickelt oder deren Produktion initiiert, zum Beispiel das Zeilenbearbeitungsgerät (weil wir das Gras unter den Bäumen nicht chemisch abspritzen wollen), zahlreiche Hackmaschinen, Infrarot-thermische Geräte, das Kartoffelkäfer-Absauggerät und und und. Im intensiven Bio-Tafelobstanbau verwenden wir zahlreiche Hilfsmittel zur Abwehr von Pilzen und Insekten (zum Beispiel Pheromone, Nützlinge, Extrakte) – aber eben keine chemisch-synthetischen Stoffe, weil wir der Meinung sind, dass diese im Labor erzeugten Stoffe in unseren Naturkreislauf nicht hingehören. [...]

REINHARD ORTLIEB, Bio-Obstbauer und Vorstand

der Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau, Stuttgart

Kaum zu ertragen sind die verkündeten Halbwahrheiten. [...]

Hochgradig riskantes Pilzvernichtungsgift. Damit meinen Sie Kupfer, bleiben aber vage, was Alternativen angeht. Und erwähnen nicht, dass es in Deutschland bei Bioland, Demeter und den anderen Anbauverbänden eine Obergrenze gibt (drei Kilogramm pro Hektar und Jahr). Von einer Gefährdung für den Menschen durch diese Aufwandmengen ist bisher nichts bekannt. Dies suggerieren Sie jedoch und rücken den Pflanzennährstoff Kupfer neben Cadmium und Blei.

Das Bodenleben (zum Beispiel Regenwürmer) reagiert erwiesenermaßen empfindlich auf Kupfer. Dies ist jedoch meines Wissens nur auf alten (konventionell bewirtschafteten) Rebflächen festgestellt worden, die in der Vergangenheit lange und intensiv mit Kupferbrühe behandelt worden sind.

„Tiermehl als Düngemittel“: Tiermehl (entstanden unter anderem aus verendeten Tieren, kranken Tieren, Versuchstieren) war bei Bioland als Düngemittel noch nie erlaubt. Erlaubt waren Schlachtabfälle von Tieren, die auch zum Verzehr bestimmt waren. Das ist ein Unterschied!

Behauptung, Ökoland brauche polnische Arbeiter, um zu überleben. Sie verschweigen, vielleicht ja absichtlich, dass im Öko-Landbau sehr viele Arbeitsplätze von Facharbeitern besetzt sind und überdurchschnittlich viele junge Leute ausgebildet werden. Schauen Sie mal unter „Stellenangebote“ in die verschiedenen Fachzeitschriften. Ohne diese Menschen wäre die Arbeit nicht zu bewältigen. Natürlich gibt es auch polnische Arbietskräfte bei uns – das aber in ganz anderen Dimensionen, als Sie suggerieren! Warum geißeln Sie Biobetriebe und nicht die großen Erdbeer- oder Spargel-Betriebe, die herkömmlich riesige Flächen bewirtschaften und mit mehreren Bussen voller Erntehelfer morgens aufs Feld fahren? Sind Sie etwa einseitig?

STEPHANIE MAGENS-HÖFFLIN,

Bioland-Obstanbau, Denzlingen

[...] Soll Herr Pollmer sein Ei aus der Legebatterie, Fleisch mit Schweinepest, MKS, BSE, mit Medikamentenresten und Antibiotika verseucht essen. Wir ziehen „Bio“ vor. Kaum zu glauben, dass Herr Pollmer nur einen trotteligen „Bio“-Freak kennt. Bio-Landwirte suchen sehr intensiv nach raffinierten technischen Lösungen! Da sie nicht mit der Chemiekeule und Kunstdüngern hantieren, benötigen sie intelligente Mechanik und fürs Gegen-den-Strom-Schwimmen: Rückgrat, einen klaren Kopf und geschickte Hände. Für die Maschinenhersteller ist der Biobereich zu klein, um die benötigten Maschinen günstig herstellen zu können. [...]

ALFRED VAN DALEN, Kamp-Lintfort

Mit der Behauptung, Biobauern seien technikfeindlich, bedient Udo Pollmer ein beliebtes Klischee, das durch Wiederholung nicht wahrer wird. Gerade die Bio-Landwirte, die sich nicht auf „Round-up“-Lösungen verlassen können, müssen gewitzt und innovativ sein. Viele Neuentwicklungen, seien es artgerechte Stallbaulösungen oder ausgefeilte Techniken zur mechanischen Unkrautregulierung, kommen heute aus dem Öko-Landbau und werden nur zu gerne von konventionellen Betrieben übernommen. Intensiv wird übrigens auch daran geforscht, wie im ökologischen Obst- und Weinbau Kupferspritzungen ersetzt werden können. Bei starkem Pilzbefall kann heute noch nicht ganz auf sie verzichtet werden. Ökologische Winzer sind zum Beispiel ganz vorne mit dabei, wenn es um den Anbau neuer, pilzresistenter Rebsorten geht. Selbstverständlich werden Bioprodukte, die nicht oder nicht in ausreichender Menge in Deutschland erzeugt werden können, aus dem Ausland importiert. Ein positiver Nebeneffekt: Auch in den Nachbarländern wird der Landbau ökologisiert und finden Menschen Arbeit in diesem zukunftsträchtigen Zweig der Landwirtschaft. RALF ALSFELD, Ressortleiter Öffentlichkeitsarbeit

Bioland Bundesverband, Mainz

„Der Biobauer verwendet also ein hochgradig riskantes Pilzvernichtungsgift“, während der Konventionelle sich wohl im Bioladen beraten lässt und dann Teebaumöl verspritzt oder wie? [...] Das Antwort-Frage-Spiel klingt a weng nach „eigentlich muss ich euch verkünden: der Biobauer ist der Mafioso schlechthin; vergiftet alles mit Kupfer, füttert seit Jahren mit Tiermehl und ist Technikfeind. Er hält sich Sklaven, die dann neben der Nussernte auch noch mit mehr Problemen der frei lebenden Biokühe klarkommen müssen – denn statistisch gesehen sind die Tiere in Großbetrieben besser beinand und verbreiten nicht so viel Seuchen wie des Bioviech.“ [...] Letztendlich sind doch alle Idioten und irgendwie ist es schlimmer, sie verschießen Uranmunition, als die Erde mit Kupfer zu vergiften, oder ist’s umgekehrt?

DANIEL LEBERT, Obing

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