: Etikettierende Diagnosen
betr.: „So ein Ding macht man nur einmal“ (Bombendrohung zur Luxemburg-Liebknecht-Demo), taz vom 23. 6. 01
Zum wiederholten Mal berichten Sie über Olaf Staps, „Kommilitonen“ hätten seine Texte am Soziologischen Institut als „selbstreferenziell“ und als „Traktakte“ bezeichnet.
Es steht zu befürchten, dass nämlichen „Kommilitonen“ prompt andere Charakterisierungen einfielen, hätte Staps Karriere gemacht und wäre er nicht mit missliebigen Ideen und Taten hervorgetreten.
Als Dozent eines von Staps besuchten zweisemestrigen Grundkurses 1990/91 erinnere ich mich schon deshalb gut an eine weder als „selbstreferenziell“ noch als „Traktat“ zu bezeichnende Hausarbeit von Staps, weil bereits deren Überschrift eine klare und diskutable Kritik an der „Protestantischen Ethik“ pointierte: „Aschenputtels Aufstieg zur Besitzerin eines Kohlekonzerns durch ihrer Hände fleißige Arbeit und ihres Kopfes klugen Erfindergeist. Oder: Das Gute siegt und wird Kapitalismus. Max Webers Märchen für Erwachsene“.
Wer sich selbst nicht gern in Eigenschaften und Schubladen einsperren lassen möchte, sollte auch bei anderen nicht achtlos und gedankenarm schnell mit etikettierenden Diagnosen hantieren. MEINHARD CREYDT, Dipl.-Soziologe, Dipl.-Psychologe
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