Der neue Damir ist ganz brav

Nach dem Achtelfinal-Aus von Jelena Dokic muss Wimbledon wohl auf tragbare Fabrikschornsteine verzichten

WIMBLEDON taz ■ Eines hat Jelena Dokic ganz gewiss gelernt während der sechsmonatigen Turniersperre für ihren Vater und Coach Damir: den Kampf „Dokic gegen die ganze Welt“ notfalls auch allein zu führen.

Gestern Nachmittag verlor die 18-Jährige gewohnt kämpferisch, aber nicht unerwartet im Achtelfinale mit 5:7, 6:4 gegen Lindsay Davenport. Ihren großen Auftritt als Geißel Wimbledons aber hatte die jugoslawische Ex-Australierin bereits gehabt: Nach ihrem Sieg gegen die Österreicherin Barbara Schett in der dritten Runde benötigte Jelena keinen Damir, um Wimbledon den härtesten verbalen Schlag zu versetzen, seit John McEnroe auf dem Centre Court das Wörtchen „Fuck“ in den britischen Sprachgebrauch einführte. „Wenn du so etwas nicht organisieren kannst, darfst du kein Turnier veranstalten“, belehrte sie den ehrwürdigen All England Club, nachdem ihr Fahrdienst nicht erschienen war, sie ein Taxi rufen musste und erst so kurz vor dem Match auf der Anlage eintraf, dass sie sich nicht warm spielen konnte. Vermutlich hatte sich ja bloß ein mallorquinischer Busfahrer eingeschlichen, Organisationschef Chris Gorringe aber reagierte hilflos mit dem törichten Standardsatz, den jeder Verkehrsbetrieb parat hat, wenn er mit einer Beschwerde konfrontiert wird: Bisher habe es keine Beschwerden gegeben.

Einmal in Rage, nahm Dokic gleich noch den Daily Mirror aufs Korn. Der hatte das Match gegen das von der Zeitung mit 100.000 Mark gesponserte „Mirror-Girl“ Barbara Schett mit dem Slogan „Beauty vs. The Beast“ versehen, wobei die Bestie nicht Jelena war, sondern Vater Damir, dessen Verfehlungen noch einmal vollständig aufgelistet wurden und dem das Blatt unterstellte, die Österreicherin von der Seitenlinie aus „psychisch fertig machen“ zu wollen. „Wenn sie nichts anderes haben, worüber sie schreiben können, dann ist das sehr traurig“, übte Dokic fundierte Medienkritik und verteilte, weil es so schön war, gleich noch einen Hieb an ihre Marketingfirma Octagon. Die hätte das verhindern müssen, schließlich wären beide Spielerinnen dort unter Vertrag.

Die ganze Misere hinderte die schlagstarke und flinke Jelena Dokic natürlich nicht daran, das ungleiche Duell auch ohne Warmspielen im Eiltempo über die Bühne zu bringen. Ehe Beauty auch nur Beast sagen konnte, war ihre Karriere als Mirror-Darling bereits beendet. Auf dem Platz legt Dokic, die vor einigen Wochen in Rom ihr erstes Turnier gewann, mindestens denselben Kampfgeist an den Tag, den ihr Vater beim Disput um einen überteuerten Fisch im Spielerrestaurant von Flushing Meadows zeigte, was ihm besagte Sperre eintrug. Seit er wieder dabei sein darf, benimmt er sich untadelig. Keine Ausfälle, keine Trunkenheit, brav sitzt er am Spielfeldrand und murrt höchstens mal eine kleine Anweisung Richtung Tochter, die nach misslungenen Aktionen ihrerseits schuldbewusste Blicke wirft. Wie intakt das innerfamiliäre Verhältnis ist, lässt sich schwer sagen, nach außen verteidigt Jelena Damir jedoch mit Verve. „Mein Vater verdient so was nicht“, sagte sie zur Mirror-Story, „besonders nicht, seit er zurück auf derTour ist.“ In Wimbledon fiel der bärtige Damir nur einmal auf, als er beim Erstrundenmatch Jelenas eine voluminöse Pfeife herausholte und solch großkalibrige Qualmwolken herauspuffte, dass sich die Umsitzenden, inklusive der Schreiber dieser Zeilen, entsetzt duckten. Von einem uniformierten Steward auf das Rauchverbot aufmerksam gemacht, steckte er den tragbaren Fabrikschornstein jedoch ganz brav wieder weg.

MATTI LIESKE