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Sound der Freiheit

In der Columbiahalle zeigte sich Tricky als Rocker unter Starkstrom und lieferte eine aufregende Show

von ANDREAS HARTMANN

Natürlich war man gespannt. Auf ein Konzert von Tricky ist man immer gespannt. Legendär und berüchtigt sind seine Konzerte, nachdem er Mitte der Neunziger durch sein epochales Debütalbum „Maxinque“ zu einem der exaltiertesten Popstars überhaupt aufstieg. Ganze Auftritte hat er, mit dem Rücken zum Publikum gewandt, hinter sich gebracht.

Oder er verschwand samt seinen Musikern hinter dichten Trockeneisschwaden, während klaustrophober Düster-TripHop, dessen Ursprung nicht mehr verortbar war, beängstigend über dem Publikum klebte. Doch damals waren die Zeiten auch noch härter für Tricky. Die Angst davor, sich der Menge zu stellen, diese ausgestellte Arroganz, war die Angst davor, sich vereinnahmen zu lassen. Popstars, so verlangen es die Spielregeln, gehören allen, und Popstars, die gewisse Regeln nicht akzeptieren wollen, müssen irgendwann damit rechnen, fallen gelassen zu werden. Doch genau diese Gefahr nahm Tricky in Kauf. Immer wieder schlug er neue Haken, lieferte kontroverse Platten ab und entwickelte mit der Zeit eine ungesunde Popstar-Paranoia. Seiner eigenen Plattenfirma schrieb er eine Sklavenhaltermentalität zu und gleichzeitig fiel er immer stärker in Depressionen.

Doch jetzt, so lässt er überall verlauten, hat sich Tricky endlich frei gespielt. Ähnliches gab er zwar schon anlässlich seiner letzten Platten „Juxtapose“, einem ziemlich gelungenen Ausflug in Richtung HipHop bekannt, doch erst jetzt ist Tricky, sein Konzert unterstrich das nochmals, wirklich mit sich im Reinen.

Als das Konzert beginnt, bleibt die Bühne ein Stück lang völlig verdunkelt, und man denkt schon, die Dämonen der Vergangenheit haben ihn wieder eingeholt. Doch schon beim zweiten Song steht die Columbiahalle unter Vollbeleuchtung und ein aufregendes Konzert beginnt. Mitgebracht hat Tricky neben seiner ziemlich studiomuckermäßigen Band eine Sängerin, die den Part seiner früheren Chanteuse Martina übernimmt und souverän die schwere Aufgabe meistert. Außerdem einen Dancehall-Rapper, der sich stark mit einbringt und eine der radikalen Neuerungen der aktuellen Tricky-Platte markiert. Ragga ist eines ihrer Basiselemente. Ragga, angedeuteter Mainstream durch Gaststars wie Alanis Morissette und Cindy Lauper und Rock.

Ed Kowalczyk von der Rocktruppe Live ist auf „Blowback“ genauso mit von der Partie wie die Red Hot Chilli Peppers. Doch während auf der Platte Rock lediglich ein tragendes Element unter mehreren ist, wird Tricky live zur totalen Rocksau. Das erinnert dann wahlweise an den Hardcore der Bad Brains, an den Crossover von Faith No More, an so manche Metalballade, ja sogar an Billy Idol. Die Präzisionsarbeiter an Gitarre, Schlagzeug, Bass bleiben zwar gesichtslos, doch für die Performance sorgt ja der Chef. Wie unter spastischen Zuckungen schmeißt er den Kopf auf seinem drahtigen Iggy-Pop-Körper hin und her, singt, faucht, kratzbeißt mit seiner Stimme und sein bald freigelegter Oberkörper scheint unter Starkstrom zu stehen. Aus Tricky, dem Solokünstler, wird live Tricky die Band. Alles fließt ineinander über, Ragga, TripHop, Trickys Krächzen.

Die düsteren Seiten Trickys sind nur noch Narben, nur selten werden frühere Stücke ausgegraben, zu denen die Bühne verdunkelt wird. Meist überwiegt hyperhektisches Lichtgeflacker, die perfekte Illuminierung für die brodelnde Energie, die von der Bühne schwabbt. Rock als Sound der Freiheit, bis zum Konzert von Tricky wollte man an diesen Mythos nicht mehr so recht glauben. Dank Tricky lebt er wieder.

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