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Graffiti zum Abschlecken

Die australische Künstlerin Mishka Borowski macht Graffiti aus einem schmackhaften Gemisch aus Karamell und Zuckerguss. Die sollen nicht nur schön aussehen, sondern die Stadt vor hohen Kosten bewahren. Auftakt einer neuen Ausstellungsreihe

von DUNJA ALFERMANN

Grillpartys sind schwer angesagt. Da steht man dann am Sonntagabend im ebenfalls angesagten Bezirk Friedrichshain und veranstaltet ein „Grill ’n Chill“, wie es der Australier nennt. Regen ist auch angesagt. Vom Wetterbericht. Und nebenbei wird Kunst eingeweiht. Die befindet sich an der grauen Wand des Hauses, das unweit vom Bahnhof Ostkreuz auf Brachland steht. Das dient jetzt als Heimat für Grasbüschel, die so hoch sind wie die Farne aus der Urzeit, die man aus den Biologiebüchern in der Schule kennt.

Zur Einweihung der Kunst ist ein ausgezogener Tapeziertisch aufgebaut, der Platz für allerlei Grillutensilien und reichlich Bier bietet. Die Kunst klebt dahinter an der Wand: ein nagelneues und durch seine Frische bestechendes Graffito, das die australische Künstlerin Mishka Borowski gerade höchstpersönlich angebracht hat. Nach frischer Farbe aber riecht es nicht. Denn Borowskis Graffiti sind nicht aus Lack. Sie sind äußerst schmackhaft, und wem es Spaß macht, der kann sie von den Wänden lecken. Der Grill verhindert zwar derartige Szenarien, doch der Regen wäscht das Kunstwerk später ohnehin ab.

Zur Beschreibung muss man ein bisschen ausholen. Man stelle sich die Künstlerin in einer Hexenküche eines Berliner Hinterhofes vor. Sie braut in einem gusseisernen Topf ein geheimnisvolles Gemisch aus Karamell und Zuckerguss über den Flammen. Ausgerüstet mit dieser einzigartigen Geheimwaffe zieht sie nachts um die Häuser. Am nächsten Morgen strahlen grellbunte Graffiti von den Hauswänden, die unbekleidete Menschen in verrenkten Positionen darstellen.

Kunst wird zum Muntermacher.

Die Künstlerin hat das aber anders gemeint. Eher stadtpolitisch. Die Idee, eine Graffiti-Technik zu entwickeln, die sich nach einiger Zeit von selbst auflöst, sei eine Alternative zu den tausenden von Mark, die die Stadt zur Entfernung von Graffiti aufbringen muss. Die Idee, ihre Graffiti von den Wänden abzulecken, findet sie allerdings selbst sowohl künstlerisch als auch hygienisch nicht wirklich vertretbar.

Mishka Borowski ist besonders stolz, dass jedes ihrer Kunstwerke seine eigene Geschichte hat und seine eigene Wandlung erlebt. Verantwortlich dafür sind Wind und Wetter. Beide waren dann auch für das längst ausgegangene Grillfeuer verantwortlich. Das aber wird schon bald wieder angemacht.

Denn das australische Kuratorenpaar, Rebecca Neill und Rohan Stanley, hat eine ganze Ausstellungsreihe unter dem Namen „The BBQ Project“ konzipiert. Jeden Sonntag ist nun drei Monate lang jeweils eine von 14 ortsspezifischen Kunstinstellationen zu besichtigen. Immer mit dabei: der Grill.

Infos unter: www.bbqproject.de

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