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„Wir sind Elefanten“

■ David Sedaris in Bremen: In Harry Rowohlt hatte er einen kongenialen Übersetzer, in Gerd Haffmans einen lesenden Verleger

Selten schienen die Reiseliteraturprospekte, die die Stühle im ersten Stock eines Buchladens in der Bremer Innenstadt zierten, so wenig angebracht. Bei fast tropischen Temperaturen und einer nicht zu verachtenden Luftfeuchtigkeit hatten sich einige Dutzend Menschen eingefunden, um den charmanten Mittvierziger David Sedaris aus seinem letzten Erzählband mit dem merkwürdigen Titel „Me Talk Pretty One Day“ lesen zu hören.

Haben die alle nichts Besseres zu tun? Es ist Samstag! Abend! Und das beste Wetter, das die Hansestadt seit langem zu bieten hat! Immerhin ist Sedaris da, ein relativ spät gestarteter Shooting-Star der nordamerikanischen Literaturszene, einer, bei dem die Leute, die seine Bücher kaufen, auch gleich ihre Zadie Smith oder Nick Hornby Sammlungen vervollständigen. So jedenfalls teilt es uns ein großer Buchversand mit.

Auf Anhieb schaffte der 1956 in New York State geborene Autor mit „Naked“ den Durchbruch – nicht nur jenseits des Atlantik, sondern auch hierzulande. Was in nicht unerheblichem Maße der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass sein Schweizer Verleger Gerd Haffmans nach wie vor ein äußerst glückliches Händchen an den Tag legt. Haffmans begleitet seinen derzeit wohl erfolgreichsten Schützling nichtdeutscher Sprache und liest – wann macht ein Verleger das schon?! – auf der „Pretty One Day“-Tour 2001 aus der deutschen Übersetzung. Die wurde, wie stets, whiskyseelig murmelnd von the one and only Harry Rowohlt besorgt. Und zwar, wie stets, nun ja: kongenial. Was sich am ehesten vielleicht an Sedaris' eigenen Worten messen lässt: „I listen to Gerd reading and I don't understand a word. But I know how the audience responds to my readings. So, hearing the German audience reacting in the same way at the same points, I tend to say: this translation must be perfect.“ David Sedaris muss ein ziemlich untypischer US-Amerikaner sein. Nicht, weil er schwul ist, denn das soll ja ab und zu mal vorkommen. Sondern weil er leise und konzentriert sich präsentiert, ein wenig zurückhaltend fast. Dabei scheint er aber weniger schwierig zu sein als sein vielleicht prominentester Exportkollege jüngeren Alters, Bret Easton Ellis. Der Befund, es hier mit einem leisen Vertreter der USA zu tun zu haben, kann nur zum Etikett „untypisch“ führen, wenn man gerade einer seiner „An American in Paris“-Stories gelauscht hat. Dort geht es um eine simple Metrofahrt, die ein gewisser David mit seinem Freund Hugh unternimmt. Im überfüllten öffentlichen Nahverkehr treffen die beiden auf ein älteres amerikanisches Touristenpärchen, das sich lautstark über den Franzosen mokiert und sich als Fallbeispiel gerade jenen David auserkürt. Nachdem das deutlich mangelnde Hygieneempfinden dieses „frog“ abgefrühstückt ist, wird er zum „pickpocket“ degradiert. Und dies alles in einer Mörderlautstärke, die wohl der Gewissheit geschuldet ist, dass Nichtamerikaner des Englischen nicht einmal rudimentär mächtig sein können. „For the first time in my live I realized: we are loud people – the trumpeting elephants of the human race.“

Für Sedaris scheint alles, was er so erlebt, Material zu sein für Geschichten: seine Kindheit, seine Zeit als Autor, seine Reisen. Dabei ist es völlig egal, ob David nun hundertprozentig mit „David“ übereinstimmt. Auch in „Ich ein Tag sprechen hübsch“ setzt der Autor seine klarsichtige und dabei urkomische Archäologie alltäglicher Peinlichkeiten fort. Erzählt vom Vater, der seine Kinder nach dem Brubeck-Muster zur Jazzcombo machen will, davon, wie der kleine David seinem Gitarrenlehrer („Du musst deiner Gitarre den Namen einer Frau geben und sie auch so behandeln“) eröffnet, sein ungeliebtes Instrument heiße fortan Oliver – wie sein Hamster. Undsoweiter.

Von seinem ersten Buch an ist Sedaris mit zahlreichen prominenten Vergleichen torpediert worden. Wenn man ihn so reden hört, über seine Parisgeschichten und seine Eindrücke von Deutschland, die in dem Moment, da er sie wiedergibt, zu kleinen, feinen Geschichten werden, scheint einer besonders viel herzugeben: Mark Twain mit seinem Europa-Reisebuch. Hoffentlich aber wird Sedaris nicht zu früh zum „Klassiker“. Mit dem Titel „Kultautor“ lässt es sich, scheint's, doch ganz gut leben. tsc

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