piwik no script img

In ein Lügengebäude verstrickt

Neue Beweise im Fall einer Malaysierin belegen, dass die Frau ihre Entführung durch Neonazis vorgetäuscht hat. Sie wollte ihren Mann wohl zum Umzug bewegen

Der Neuruppiner Oberstaatsanwalt Gerd Schmittcher hatte schon lange einen ganz bestimmten Verdacht. Aber belegen konnte er ihn nicht. Nun liegen neue Beweise auf dem Tisch. Sie sind so eindeutig, dass Schmittcher jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen die malaysische Ehefrau eines Mitarbeiters des Auswärtigen Amtes wegen Vortäuschung einer Straftat eingeleitet hat.

Die 33-jährige hatte behauptet, im Januar diesen Jahres in ihrem Wohnort in Schildow (Oberhavel) von Neonazis entführt worden zu sein (die taz berichtete). Dabei habe sie das Bewusstsein verloren und sei später in einem Schuppen hinter ihrem Wohnhaus aufgewacht. Obwohl es keine Zeugen gab, hatte die Polizei der Frau geglaubt und eine fünfzigköpfige Sonderkommission auf den Fall angesetzt. Doch als sich die Spurenauswertung nicht mit den Angaben des Opfers deckte, wurden die Ermittler misstrauisch. „Ich gehe davon aus, dass die Frau die Tat erfunden hat, weil sie sich in einer persönlichen Lebenskrise befindet“, hatte Schmittcher Ende März der taz gesagt. Da man dies aber nicht beweisen könne, müsse das Verfahren wohl eingestellt werden.

Dazu kam es aber nicht, weil der Ehemann der Malaysierin am 4. April im Auftrag seiner Frau mit der Schultasche und dem Anorak der Tochter bei der Polizei erschien. Auf Tasche und Jacke befanden sich Hakenkreuze. Sie waren mittels Kartoffeldruck aufgebracht worden, wie eine spätere Untersuchung der Polizei ergab. Außerdem überreichte der Mann den Ermittlern ein mit Blut und Hakenkreuzen verschmiertes Tagebuch. Seine Frau habe das Buch, das eigentlich ihr gehöre, in der Schultasche der Tochter gefunden, gab der Mann zu Protokoll.

Das Ergebnis der Blutuntersuchungen liegt seit Mittwoch vergangener Woche vor. „Als wir erfuhren, dass das Blut von der angeblich Geschädigten selbst stammt, ist uns endgültig die Hutschnur gerissen“, sagt der Oberstaatsanwalt. Gegen die Frau sei zwar ein Verfahren eingeleitet worden. Ob es zu einem Prozess komme, sei aber fraglich, sagt Schmittcher mit dem Hinweis, dass der Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes kürzlich samt Familie für mehrere Jahre ins Ausland versetzt worden ist. Auf eine Art ist der Oberstaatsanwalt froh, die „mehrere tausend Seiten umfassende Akte“ zuklappen zu können. „Die Beschuldigte würde uns vermutlich erzählen, dass ihr das Tagebuch damals von den Entführern abgenommen worden und dabei mit ihrem Blut befleckt worden ist.“ Schmittchers Vermutung ist, dass die Frau die Entführung eigentlich nur vor ihrem Mann inszenieren wollte, um diesen zum Weggang aus Deutschland zu bewegen. Aber der Ehemann habe die Polizei geholt. „Da hat sie sich immer mehr in ein Lügengebäude verstrickt.“ PLUTONIA PLARRE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen