Sir Goran lässt die Hüllen fallen

Nach seinem Wimbledonsieg wird Goran Ivanisevic in seiner Heimat von 130.000 Menschen empfangen

SPLIT taz ■ Jubelfeiern nach großen Sporterfolgen gibt es in jedem Land. Der Empfang für Goran Ivanisevic war dennoch etwas Besonderes. In der kroatischen Hafenstadt Split jubelten über 130.000 Menschen nicht nur dem frisch gebackenen Wimbledonsieger zu, sie feierten auch sich selbst, die Stadt – und die kroatische Küstenregion Dalmatien. Nach der Meisterschaft des Fußballteams Hajduk Split hat die von wirtschaftlichen Krisen heimgesuchte Region einen zweiten Grund zur Freude: „Unser Goran ist Wimbledonsieger.“

„Feste in Brasilien sind nichts gegen unsere Feier“, rief Ivanisevic der jubelnden Menge zu. Hunderte von Schiffen und Booten waren im Hafen entlang der Riva, der von Palmen umsäumten Flanierstraße, aufgetaucht. Die Menschen tanzten und sangen. Und lachten über eine Blondine, die auf einem Boot tanzend ein Transparent mit der Aufschrift „Goran, heirate mich“ schwenkte. Auch der Sprechchor „McEnroe, McEnroe“ löste Heiterkeit aus: Der ehemalige Top-Spieler aus den USA hatte als Ko-Kommentator einer US-amerikanischen Fernsehgesellschaft nach dem Sieg Ivanisevic’ „Serbien“ ins Mikrofon gerufen.

Höhepunkt der Ausgelassenheit war jedoch der Striptease von Goran Ivanisevic. Zum Schrecken des Bürgermeisters Skaric und anderer Offizieller begann Ivanisevic ein Kleidungsstück nach dem anderen in die Menge zu werfen. „Ich wollte schon immer einmal nackt an der Riva sein“, rief er, „jetzt ist der Augenblick gekommen.“

Ivanisevic war angesichts des Empfangs tief gerührt. Noch vor kurzem hatte er Grund, mit seinen Landsleuten zu hadern. Die Bürokratie legte ihm bei der Gründung einer Tennisschule alle erdenklichen Hindernisse in den Weg. Als seine Erfolge ausgeblieben waren, wandten sich viele „Freunde“ von ihm ab. „Jetzt kann ich unterscheiden, wer wirklich zu mir steht und wer nicht“, hatte er noch kurz vor Wimbledon gesagt. Und schon damals konnte er auf die Frau des Formel-1-Organisators Bernie Ecclestone rechnen. Slavica Ecclestone, eine geborene Kroatin, brachte den Champion in ihrem Privatjet nach Split.

„Sir Goran“, wie die Tageszeitung Slobodna Dalmatija titelte, ist als Sieger zurückgekehrt. Dass er nicht aufgegeben hat, dass er unnachahmlich gekämpft hat, sei ein Vorbild, das die Region auf wirtschaftlichem Gebiet nachahmen müsse, heißt es in einem der Kommentare: „Wir müssen uns wie Goran am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.“ ERICH RATHFELDER